Wasserknappheit und Stromausfälle

Während ich das hier schreibe haben wir mal wieder kein Strom und somit kein WLAN. Später werde ich den Text auf meine Website kopieren, wenn das Internet wieder funktioniert. Der erste Stromausfall war vor einer Woche und wurde relativ groß angekündigt. Mittlerweile ist es für mich fast normal, dass jeden Tag von so ca. 11 bis 17:15 Uhr keine Elektrizität da ist. Manchmal fehlt sogar abends das Licht. Woran liegt das? Die kurze Antwort: Zur Zeit regnet es wenig. Die lange Antwort: Die Klimakrise…

(Kleiner Hinweis noch vorweg: Ich berichte natürlich aus meiner Perspektive aus der Nähe von Tena. Tatsächlich sind die Stromausfälle und teilweise auch der Wassermangel sehr verschieden von Region zu Region. Wie schlimm die Auswirkungen wirklich sind ist sehr individuell, verschieden und hängt auch damit zusammen, wie sehr die Menschen von Internet/ Wasser/ Fischfang/ Landwirtschaft etc. etc. abhängig sind. Das hier ist also nur ein kleiner Einblick.)

Was hat der Regen mit Strom zu tun?

Durch Ecuadors Amazonasgebiet ziehen sich viele Flüsse und Nebenflüsse. Das ist einer der Gründe, weshalb in der Vergangenheit bei der Energiegewinnung vor allem auf Wasserkraft gesetzt wurde. Ca. 78% des Stroms des Landes wird durch die Flüsse gewonnen. Jährlich sind die Wasserpegel der Flüsse natürlichen Schwankungen ausgesetzt – je nach dem, ob gerade Regenzeit ist oder nicht. In den letzten Jahren verschoben sich diese jedoch immer wieder und die die Wettereignisse wurden extremer. Der ausfallende Regen führt zu niedrigen Wasserständen und Engpässen in der Energiegewinnung. Dieses Jahr ist es besonders schlimm – Ecuador kämpft gerade mit der schlimmsten Dürreperiode der letzten 60 Jahre. Besonders im Süden des Landes, wo sich der größte Wasserkraftskomplex Ecuadors befindet, ist es besonders trocken. Aber auch bei mir in der Nähe von Tena spüre ich die Auswirkungen. Laut der Regierung gibt es gerade ein Stromdefizit von ca. 1.100 Megawatt im Vergleich zur nationalen Nachfrage. Deswegen wird in vielen Regionen die Energieversorgung rationiert und der Strom abgestellt. Alle Menschen hoffen gerade auf Regen, aber die wenigen Schauer, die es die letzten Tage gab, reichen nicht, um das Problem zu lösen.

Warum regnet es so wenig?

Das das Amazonasgebiet langsam austrocknet sind keine Neuigkeiten. Expert*innen warnen davon schon lange, bereits letztes Jahr gab es in Brasilien eine große Dürre, während der viele Seitenarme des Amazonas ausgetrocknet sind. Einer der Gründe dafür ist die großflächige Abholzung von Waldgebieten. Der Wald und die Verdunstung des Wassers von den Blättern halten einen Wasserkreislauf am Leben, der für das feuchte Klima in der Region sorgt. Werden die Bäume im großen Stil abgeholzt, kippt das Gleichgewicht und der Wasserkreislauf wird gestört. In vielen lateinamerikanischen Ländern wurde die letzten Jahrzehnte viel Rodung vorgenommen, teilweise auch gegen den Willen der lokalen Bevölkerung, die unter der Abholzung leidet. Der Grund dafür sind vor allem Investoren und große Firmen aus dem globalen Norden, die Regierungen Landrechte abkaufen, um es für Tagebau, Weiden, Plantagen, Ölgewinnung oder anderes zu nutzen. Diese Ausbeutung der Natur bringt viel Geld ein, welches jedoch selten wie versprochen im jeweiligen Land bleibt, sondern einer kleiner Elite und den ausländischen Firmen gehört. Ein weiterer großer Einflussfaktor ist der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur. Durch den Klimawandel werden Extremwettereignisse immer häufiger – auch im Amazonasbecken. Die hohen Temperaturen führen zu mehr Verdunstung und Trockenheit, während es in anderen Gebieten zu starken Regen und Überschwemmungen kommt.1

Abgesehen vom globalem Trend der Erderwärmung spielen auch ungünstige Wetter- und Klimaphänomene wie z.B. el Niño2 eine Rolle bei den derzeitigen Dürren. Und natürlich ist Ecuador gerade generell in der trockenen Hälfte des Jahres, dem „Sommer“ (wobei von der Temperatur hier am Äquator für mein Verständnis immer Sommer ist – im „Winter“ regnet es dafür mehr und es ist ein wenig kühler).

Welche Auswirkungen hat die Wasserknappheit?

Neben den Problemen bei der Energiegewinnung hat das fehlende Wasser auch Auswirkungen auf die Natur. Grünflächen und Pflanzen vertrocknen, in vielen Flüssen sterben die Fische und Felder müssen auf einmal bewässert werden. Menschen, die vom Fischfang oder ihrem Anbau leben, wird damit ein Stück weit die Lebensgrundlage entzogen. Geringe Wasserstände machen zudem einige Seitenarme mit dem Boot nicht mehr befahrbar und schneiden manche Orte von den üblichen Versorgungswegen ab. In manchen Regionen Ecuadors wird das Leitungswasser rationiert und wenn es doch mal regnet, ist die Gefahr für Erdrutsche und Überschwemmungen höher, weil er trockene Boden das Wasser nicht aufnehmen kann…

Was bekomme ich von der Dürre mit?

Für mich sind die häufigen Stromausfälle am Einschneidendsten. Fehlendes Internet führt zu Abgeschiedenheit – ich brauche das WLAN, um Kontakt nach Hause zu haben, um Spanische Wörter suchen und übersetzen zu können, Englisch Unterricht vorzubereiten oder meine Zeit zu vertreiben. Dabei bin ich noch relativ gut dran – einige der Studierenden müssen deswegen fast die ganze Nacht durch lernen, weil sie dafür das Internet brauchen und auch alle anderen, die in ihrem Job auf Strom angewiesen sind haben dieses Problem. Die letzte Woche fehlte der Strom eigentlich nur tagsüber für einige Zeit, aber seid gestern gibt es auch abends eine Zeitspanne, in der wir wirklich im Dunkeln sitzen. Wie lange das noch so bleiben wird weiß ich nicht.

Seit einer reichlichen Woche haben wir in dem kleinen Haus in Puka Urku kein bis sehr wenig Leitungswasser. Es gibt eine andere Stelle, an der ich mir mit einem Eimer vorübergehend Wasser holen kann, aber eine Einschränkung ist es schon. Dieses Problem werden wir in einer Woche jedoch hoffentlich beheben können…

Ansonsten merke ich natürlich wie heiß und trocken die meisten Tage hier sind. Ich habe natürlich noch keinen Vergleich, wie es sonst oder in der Regenzeit ist, aber die Arbeit in der Sonne zur Mittagszeit ist eigentlich unmöglich. Tagsüber ballert die Sonne oft gewaltig und was man körperlich anstrengendes erledigen muss macht man am besten morgens. Einige Bäume verlieren ganz ordentlich Blätter und in der Stadt sind die wenigen Grünflächen sehr trocken. Auch bei den Flüssen und Badestellen höre ich immer mal wieder von den Studierenden, dass diese normalerweise mehr Wasser führen…

Der Kakaobaum ist schon zum Teil vertrocknet…

Wasserdruck war auch schon mal höher…

romantischer Abend allein ohne Licht

Fazit

Das ich hier oft ohne Internet sitze ist eine kleine, wirklich noch verkraftbare Auswirkung eines riesigen globalen Problems, dass sich immer weiter verschärft. Die Zunahme von Extremwetterereignissen ist global beobachtbar (auch in Deutschland kam es dieses Jahr z.B. wieder zu vielen Überschwemmungen) und wird zu einem neuen Normal. Die Folgen des Klimawandels sind hier in Ecuador direkt erlebbar und sehr beängstigend. Denn die Dürren im Amazonasregenwald entziehen nicht nur der lokalen Bevölkerung ihre Lebensgrundlage – der Regenwald ist Bestandteil globaler Kreisläufe und beeinflusst somit das Klima überall auf der Welt. Angesichts der Tatsache, dass historisch gesehen das meiste CO2 in Ländern des globalen Nordens ausgestoßen wurde, sehe ich eine große Verantwortung dieser Staaten (zu denen auch Deutschland gehört) den Klimaschutz weiter voranzutreiben und die Staaten, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben und am meisten unter ihm leiden mit Wissen, Geld und Ressourcen zu unterstützen. Meine Erfahrung hier vor Ort führt mir mal wieder die Dringlichkeit des Klimaschutzes vor Augen. Von Ecuador aus habe ich nicht das Gefühl, viel diesbezüglich tuen zu können, außer zuzuhören, beobachten, lernen und dieses Wissen weiterzugeben. Ich hoffe, das ist mir hiermit ein bisschen gelungen. Ansonsten bleibt mir erst einmal nichts übrig, als die stromfreien Stunden so gut wie möglich zu nutzen und mit den anderen zusammen auf vieeeel Regen zu hoffen…

  1. Auf der Website des Bundesamts für politische Bildung findet man dazu auch ganz gute Informationen, falls ihr noch mehr reinlesen wollt: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/523365/hitze-duerre-und-die-folgen/#node-content-title-4 ↩︎
  2. Falls ihr nicht mehr aus dem Geografieunterricht wisst, was es mit el Niño auf sich hat, hier eine kleine Erinnerung:
    https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/klima-el-nino-wetter-100.html
    ↩︎