Lebensupdate (April 2025)

Ich weiß, so fange ich meine Artikel ständig an, aber ich kann es wirklich nicht glauben und will es auch nicht wahrhaben, dass es bereits April ist. Das neue Jahr hatte doch gerade erst begonnen… Wo sind die vier Monate hin? Wo sind die acht Monate hin, die ich bereits in Ecuador bin? Ich rase gefühlt auf August zu und das macht mir einerseits ein bisschen Angst, andererseits freue ich mich auch.

Da ich nicht alles, was mir im Alltag so begegnet oder mich beschäftigt, in einen eigenen Artikel packen kann, dachte ich, ich mache vielleicht eine kleine Liste… Wenn euch etwas näher interessiert, klickt einfach drauf.

Aktuelle Themen/ Gedanken/ Projekte etc

große Reise (Cuyabeno, Cuenca und mehr)

Ende März bis Anfang April habe ich meinen einen langen zusammenhängenden Urlaub genommen und bin erst in das wunderschöne Naturreservat Cuyabeno gefahren, um Tiere zu beobachten (unter anderem Faultiere und rosa Flussdelfine!) und danach über Riobamba nach Cuenca, eine der schönsten Städte Ecuadors mit viel Kultur und Kunst… Mehr Details zu meiner Route, Erfahrungen und schöne Fotos findet ihr in meinem Artikel „Ecuador erkunden 2.0 – meine große Reise

Großprojekt – die Grundschule in Puka Urku streichen und neu sortieren

Es ist mir ein bisschen peinlich, dass zu schreiben, aber das Projekt, um das es geht, wollen wir schon seit einem halben Jahr (erfolglos) umsetzten… Umso schöner, dass es jetzt endlich geklappt hat. Also so halb. Tatsächlich hat sich nach einem langen Arbeitstag mit den Kindern und Eltern herausgestellt, dass die Farbe nicht reicht.

Das Projekt besteht darin, die Schule einmal ordentlich zu reinigen, neu zu streichen, neue Materialien zu besorgen, ein neues Ordnungssystem (mit verschließbaren Kisten) einzuführen und ein paar Dinge zu reparieren. Nach dem wir nach Monaten endlich eine Kostenübersicht aufgestellt, genug Spenden gesammelt und die Materialien eingekauft haben, war am 8.4.2025 der (leider nicht letzte) Arbeitseinsatz. Wir haben eine Minga mit allen Eltern der Kinder gemacht und es wurde ordentlich geschuftet. Jetzt fehlt aber Geld für unerwartete Kosten – vor allem mehr Farbe, aber auch einiges für kleinere Reparaturen (z.B. tropft es an ein paar Stellen bei Regen durchs Dach)…

Falls ihr euch vorstellen könnt, ein paar Euro für das Projekt zu spenden, würden wir uns sehr freuen 🙂 Ihr könnt das über folgende Bankverbindung:

Raiffeisenbank Zug, 
VEREIN SABER Y CRECER 
IBAN CH33 8080 8003 6745 9609 3

(Am Besten beim Verwendungszweck Projekt Grundschule Puka Urku angeben) Danke euch!

lokale Früchte als Eissorten ausprobieren – Ranking

Im „parque lineal“, in der Nähe der Englischschule, gibt es einen Wassereisstand, der selbst gemachtes Eis aller möglichen Obstsorten anbietet – unter anderem auch eine große Anzahl lokaler Früchte. Das Angebot ist riesig und viele Früchte kenne ich bereits, aber ich habe es mir zur Challenge gemacht, alle Sorten mit Namen, die ich nicht kenne, auszuprobieren und ein Ranking zu erstellen. Noch fehlen mir sehr viele Sorten, aber ich kann ja schon einmal vorstellen, was ich bereits habe:

FruchtBewertung (1-10)Kommentar
Morete9Geht immer wieder und so viel besser als wenn man Morete einfach so isst
Unguraga8,5Schon nice, Geschmack unbeschreiblich
Mulchi5Fruchtig, aber hat kaum Geschmack?
Arazá con leche9Ehrlich erfrischend, sommerlich, fruchtig
Avío4Wo bleibt der Geschmack?? Leichter
Hauch von irgendwas Fruchtigem…
Borojó6Schmeckt ein bisschen nussig, lecker
Wachanso6Ist irgendwie Schokoeis mit irgendeiner Nusssorte, die ich nicht definieren kann
Umzüge im Studentenhaus Pakashka Sacha

Neue Student*innen kommen und gehen, aber vor allem gehen sie… 🙁 Von den vier Studenten, die bei meiner Ankunft im August da waren, ist jetzt auch der Vorletzte ausgezogen. Übrig bleibt nur der Jüngste, der irgendwie nicht richtig zählt, da er noch in die Highschool geht und eine Sonderrolle hat. Alle drei Jungs, die uns verlassen haben (der Erste schon im November, der Zweite im Januar und jetzt auch der Dritte) sind mir extrem ans Herz gewachsen und haben für mich Pakashka bedeutet. Es ist total schade, dass sie gehen, auch wenn wir im Kontakt bleiben. Jetzt ist es seltsam leer – wir brauchen dringend neue Student*innen, auch, um irgendwie mit dem Putzpensum klarzukommen. Immerhin ist eine ehemalige Studentin noch einmal eingezogen, da sie nachträglich zu ihrem Studiumsabschluss noch Englisch lernen will. Mit dem Jüngsten zusammen macht das zwei Student*innen auf drei Freiwillige und einen Chef – Finde den Fehler…

neue Experimente in der Küche

Unsere besten Köche sind leider ausgezogen und so langsam sehne ich mich nach Abwechslung von Reis und Nudeln. Deshalb versuche ich immer mehr Rezepte zu finden oder abzuwandeln, die ich mit beschränkten Zutaten im Haus kochen kann.

Nichtsdestotrotz konnte ich einige neue und leckere Sachen ausprobieren:

  • Veganes Schnitzel aus Haferflocken selber machen – Ich habe kein Foto, war aber relativ lecker verglichen mit dem wenigen Aufwand
  • Locro de papa – Eine Kartoffelsuppe, die sogar Nationalgericht ist und ich unbedingt in Cuenca probieren wollte, aber nicht gefunden habe. Deshalb habe ich einfach das erstbeste Rezept aus dem Internet selber nachgekocht und es ist mega lecker geworden. Allerdings kann ich nicht einschätzen, wie authentisch mein locro de papa wirklich ist, ich habe es hier ja noch nie probiert…
  • Blumenkohl-Wings – Blumenkohl in einer würzigen Marinade einlegen und frittieren, dazu Kartoffelbrei und ein frischer Salat mit Avocados und Sojasauce ist eines meiner neuen Lieblingskreationen…
  • Erdnusssuppe – Das Lustige ist, dass ich mein Rezept für Erdnusssuppe als angeblich typisch ecuadorianisches Gericht bereits vor meiner Einreise aus dem Internet habe, hier aber wirklich niemand je von diesem Gericht gehört hat… Aber es schmeckt trotzdem mega lecker und ich habe mich zum Glück wieder dran erinnert.
  • Linseneintopf – Okay, Linsen mit Reis gibt es oft, Linseneintopf ist also nicht wirklich neu, aber ich liebe Linsen einfach und habe echt nichts dagegen den Linsenanteil zu erhöhen und den Reis wegzulassen 🙂

Falls ihr irgendwelche Ideen und Tipps habt, schickt sie mir unbedingt! Wir haben vor allem frisches Gemüse, Grundzutaten wie Haferflocken, Mehl, Nudeln, Eier, Reis etc und ein paar Specials wie Erdnussbutter, Sojasauce und ab und zu Käse (auch wenn der nicht wirklich zählt…) da. Alles Verarbeitete (z.B. Tomatenmark) fehlt… Viele Rezepte, die ich liebe oder neu finde, kann ich leider aufgrund irgendeiner entscheidenden Zutat nicht umsetzten.

Frühlingsvibes im Regenwald

Wir befinden uns immer noch im sogenannten „Winter“, also der Regenzeit hier, aber die letzten Wochen waren wieder etwas trockener, sonniger und heißer. Auch wenn Trocken- und Regenzeit hier Sommer und Winter heißen, sind sie nicht mit den mitteleuropäischen Jahreszeiten zu vergleichen. Was mich deshalb so überrascht: Meine generelle Stimmung bewegt sich über die Monate gesehen genauso wie sie es sonst während der Jahreszeiten tun würde. Ist es Zufall? Oder ist meine innere Uhr noch so sehr auf Deutschland eingestellt? In (deutschen) Sommermonaten hatte ich mehr gute Laune, Energie und war viel draußen unterwegs. Dann habe ich mich ein bisschen mehr zurückgezogen, hatte während der Wintermonate (wegen dem vielen Regen vielleicht) eine kleine Winterdepression und jetzt spüre ich wie im Frühling neue Energie, mehr Lust rauszugehen, zu reisen und neue Dinge auszuprobieren… Diese Erkenntnis hat mich irgendwie verblüfft.

Mein Zimmer umräumen und dekorieren

Nach und nach füllt sich mein Zimmer immer mehr. Mittlerweile habe ich mich nicht nur längst eingerichtet – ich habe auch die Möbel verstellt, Mobile gebastelt, dekoriert und ganz viele Bilder a die Wand geklebt. Das mit dem Blick auf den Regenwald macht es zu einem Traumzimmer. Hier ein paar Fotos:

Upgrate Freiwilligenhaus Puka Urku

Über die Zeit wird das kleine Freiwilligenhaus in Puka Urku immer gemütlicher und voller. Die Entwicklung hat schon in meiner ersten Woche dort angefangen, als ich eine Wäscheleine aufgehangen habe und zieht sich hin. Dazu kamen:

  • eine (leider nur grüne) Lichterkette
  • eine Pumpe (für ein bisschen mehr Wasserdruck, Warmwasser wird wohl ein Traum bleiben)
  • ein Moskitonetz
  • ein mini-Spiegel fürs Bad, damit wir unsere hässlichen Arbeitsoutfits checken können 😉
  • ein Paar Plastiklatschen, damit wir nicht immer unsere hin und her tragen müssen
  • ein kleines Sieb
  • ein Kartoffelschäler (der gerade irgendwie weg ist)
  • ein Erste-Hilfe-Set (von mir gespendet… Fühlte mich irgendwie unvorbereitet)

Allein mit diesen Anschaffungen hat sich das Leben im kleinen Haus bereits viel luxuriöser angefühlt. Während ich die letzten Wochen auf Reisen war, wurde aber noch einmal eine riesige Schippe drauf gelegt: Wir haben jetzt auf dem Balkon Licht für abends, einen Seifenhälter in der Dusche und im Zimmer quetschen sich jetzt zwei Betten (das Neue viel größer als das Alte) sowie der mini-Kühlschrank, den wir im Pakashka immer für Privates genutzt haben! Ein Kühlschrank verändert alles. Wir können jetzt einfach Essen mitnehmen, dass gekühlt werden muss (Yoghurt etc), unser Obst und Gemüse wird nicht mehr so leicht schimmelig oder lockt bei schlechter Verwahrung Mäuse an, Reste halten sich und wir können in der Hitze kaltes Wasser trinken… Jetzt könnte ich auch deutlich länger in Puka Urku leben als nur fünf Tage am Stück 🙂

Ostern

Über Ostern war ich in Quito, wenngleich ich am Sonntag bereits wieder zurückkehren musste. Ostern ist in Ecuador ein ausschließlich christliches (vor allem katholisches) Fest, was nur denen etwas bedeutet, die religiös sind. Hasen, Eier, Süßigkeiten oder Geschenke gibt es hier nicht. Dafür Prozessionen (wie in Spanien), Gottesdienste und Kirchenkonzerte. Ich war bei der berühmten Karfreitagsprozession in der Altstadt dabei und fand es einerseits interessant, andererseits verstörend. Um Buße zu tun/ das Leiden Jesu nachzufühlen fügen sich viele Menschen selbst Schmerzen zu. Z.B. laufen viele auf dem heißen Plaster barfuß, manche schleppen schwere Kreuze, haben Fußketten um, peitschen sich selbst auf den Rücken, binden sich Kreuze aus Kakteen auf den nackten Rücken oder tragen andere Stachelpflanzen an sich…

Maria Statue die einmal durch die Stadt getragen wird

Später habe ich die traditionelle Suppe des Festes, Fanesca, probiert, in der jede der vielen Zutaten (Bohnen, Käse, Mais, Fisch, Empanadas, Eier, Kochbananen und und und) für einen anderen Apostel/ Jesus/ Maria steht. Ehrlich gesagt fand ich die Suppe echt ekelig, aber ich habe gehört, dass manche sie mit Erdnuss zubereiten, was bestimmt leckerer ist. 

Ansonsten gab es noch ein spirituelles Festival in dessen Ramen religiöse Konzerte stattfinden. Die meisten (unter anderm Barock Musik) gab es erst, als ich schon zurück war. Tatsächlich konnte ich jedoch zu einem gehen, was dann irgendwie aus der Reihe fiel und so gar nicht religiös war, maximal spirituell. Ich war aber echt positiv überrascht und mochte die Musik und Show sehr. Die Künstlerin heißt LaTorre… Hier ein paar Eindrücke: 

Heimweh vs. Vorweg-Heimweh meines neuen Zuhauses

Es ist eine sehr komische Mischung: Einerseits bekomme ich so langsam schon Sehnsucht, Freund*innen Und Familie wieder zu sehen, zuhause zu sein, deutsches Abendbrot zu essen etc., auf der anderen Seite fühle ich jetzt schon den Schmerz, so viele wunderschöne Sachen zurückzulassen. Ich weiß jetzt schon, was ich alles vermissen werde. Ich versuche die übrige Zeit so bewusst wie möglich zu genießen, aber melancholisch macht der Gedanke an Abschied mich schon. So viele Menschen, Orte und Gepflogenheiten sind mir ans Herz gewachsen und eine zweite Heimat geworden. Auf der anderen Seite freue ich mich auch schon auf mein erstes Zuhause… Es ist kompliziert.

Änderungen in der Englischschule in Tena

Auch in der Englischschule, die wir einmal die Woche besuchen, hat sich einiges geändert. Ehrlich gesagt halte ich bis jetzt von den Neuerungen aber nicht viel. Ausgangslage war, dass wir bereits seit fünf Monaten angesprochen haben, dass wir uns wenig nützlich fühlen: Die Lehrer*innen sind (weil es eine Privatschule ist) gut qualifiziert, die “Klassen” klein und der Unterricht gut. Wir können kaum helfen und hängen einfach nur die vier Stunden in der Schwebe. Mittlerweile habe ich extrem die Motivation verloren in die Englischschule zu gehen – Es ist wie selber Unterricht in einem Hassfach haben. Meistens ist es langweilig, ich kann nichts machen, sitze daneben oder wir gehen in den Park und spielen etwas/ essen Eis, was zwar nett ist, sich aber wie verschwendete Lebenszeit anfühlt. Geändert hat sich daran trotz vieler Gespräche, dass wir mehr einbezogen werden sollen, bis jetzt nie etwas. Ehrlich gesagt haben wir diesen Teil unserer Arbeit einfach irgendwann akzeptiert und ertragen ihn halt. Jetzt gibt es neue Sekretäre in der Schule, die extrem übermotiviert und gleichzeitig schusselig und ein bisschen planlos sind. Die neue Idee ist: Wir Freiwillige begleiten keinen Unterricht mehr sondern geben freitags extra-Workshops, in denen Schüler*innen das Thema der Woche vertiefen/ auffrischen/ üben können. Wir sollen also komplett allein unterrichten, was ich erst einmal als eine ganz schön große Verantwortung sehe. Und ja, vielleicht ist es egoistisch, aber mich stört, dass der Spaß ausgerechnet Freitag Nachmittag stattfinden muss. So dürfen wir nämlich Urlaubstage nicht mehr freitags nehmen und können auch nicht gut übers WE verreisen, da wir dafür schon mittags los müssten (nachts sollen wir nicht reisen)… Das schränkt total ein, vor allem, weil unsere Urlaubsregelungen eh total komisch sind und wir nur einmal in unserem Jahr viele (10) freie Tage am Stück nehmen dürfen. Wenn wir noch was vom Land sehen wollen sind wir also auf die Wochenenden angewiesen. Außerdem ist der Freitag durch die Änderungen übervoll, da wir zusätzlich auch putzen müssen, und Dienstag und Donnerstag haben wir fast nichts zu tun.

Letzten Freitag habe ich dann die ersten zwei Stunden gehalten, nachdem die Sekretäre wieder einmal alle Absprachen durcheinander gebracht hatten und bei einer zusätzlichen Sitzung zur Vorbereitung allen ernstes gezeigt haben, wie ich mir einen Stundenplan bei ChatGPT erstellen lassen kann, anstatt mir mehr Informationen dazu zu geben, welche Vokabeln etc. die Schüler*innen zu dem Thema bereits hatten. Zu meiner ersten Stunde kamen zwei ca. Fünfjährige, die sehr anstrengend waren und zu der zweiten dann statt den angemeldeten zwei Teenagern vier Schüler*innen, eine davon erwachsen und deutlich älter als ich. Und Überraschung: Das Thema konnten sie schon recht gut und all meine Planung war bereits nach einer halben Stunde durchgeführt. Deshalb sind wir danach in den Park und haben Englischspiele gespielt. Sinnvoll hat sich das ganze nicht angefühlt, aber ich will dem selber Unterrichten eine zweite Chance geben. Diese Woche war besonders hart für mich, weil ich die Möglichkeit gehabt hätte, das WE über einen Freund bei der Erkundung eines Vulkans zu begleiten, der ganz viele Wasserfälle in der Nähe hat. Das ging dann leider nicht, weil es schon nachmittags los ging. Mal schauen, wie es das nächste Mal in der Englischschule wird.

Präsidentschaftswahl

Am 13.4.2025 waren dann zum zweiten Mal Wahlen in Ecuador, diesmal eine Stichwahl zwischen dem derzeit amtierenden Präsidenten Daniel Noboa und Luisa González. In westlichen Medien wird sie gern als die linke und progressive Kandidatin und er als der eher konservative und rechte Kandidat dargestellt. Leider ist es nicht ganz so einfach. Wenn ich ehrlich bin weiß ich nicht, wen ich gewählt hätte, denn beide sind auf ganz eigene Weise problemaisch. Beiden wird (und das wahrscheinlich zurecht) Korruption vorgeworfen. González steht in enger Verbindung zum umstrittenen im Exil lebenden Ex-Präsidenten Rafael Correa, der einerseits in Bildung etc investiert und eine progressive Verfassung erlassen hat, andererseits die Pressefreiheit extrem eingeschränkt, Grenzen geöffnet und so den internationalen Drogenhandel ins Land gelassen und extreme Schulden gemacht hat, unter denen das Land immer noch stark leidet. Ecuador, einst eines der sichersten Länder Südamerikas, hat durch den Einzug der Drogenkartelle einen hohen Gewaltzuwachs erlitten. Während gemunkelt wird, dass die Partei von Rafael Correa und Luisa González heimlich Abkommen mit den Kartellen machen, greift Daniel Noboa hart und militärisch gegen Gewalt durch. Aber auch sein Vorgehen ist umstritten, etwa, weil trotz seiner Aktionen die Gewalt dieses Jahr ein neues Hoch erlitten hat. Außerdem tritt er sexistisch und rassistisch auf, ist selber reicher Geschäftsmann und sehr neoliberal eingestellt und sympathisiert mit Trump. Letztendlich hat er die Stichwahl gewonnen, und das wird hauptsächlich an seinem starken Kurs gegen Bandenkriminalität liegen. Viele Menschen, die ich kenne, mögen Noboa nicht, haben aber Angst, dass die Gewalt weiter steigt und noch mehr Regionen unsicher machen sowie Tourist*innen abschrecken wird. Ich finde es problematisch, dass sich die Bürger*innen hier zwischen zwei schlechten Optionen entscheiden müssen. Was wirklich fehlt sind Zukunftsperspektiven für das Land, aber es bleibt kompliziert. Bei den letzten Wahlen wurde ein Kandidat, Villavicencio, der Korruption offen anprangerte, erschossen. Er war eine zu große Bedrohung für das organisierte Verbrechen. Ich habe den Eindruck, man kann es gar nicht so hoch schaffen ohne Korruption. Und das macht mich traurig. Aber jetzt werden wir wohl erst mal abwarten, was Noboas verlängerte Amtszeit so mit sich bringt… 

Hier ein kleiner Blick in den Wahlkampf bei einer Diskussion der beiden Kandidat*innen (leider nur auf Spanisch gefunden, aber man bekommt trotzdem ein Bild der beiden… Das Thema ist, wie man das organisierte Verbrechen bekämpfen und Sicherheit garantieren will):

Zukunftsplanung

So lange bin ich leider nicht mehr in Ecuador deshalb denke ich viel darüber nach, was ich zurück in Deutschland machen werde. Studieren? Und wenn was? Momentan ist mein Favorit Soziologie aber mal schauen.

Poesie Workshop

Als ich in der Englischschule einen Aushang für einen kostenlosen Poesie-Workshop gesehen habe war ich sofort dabei. Leider kann ich wegen Puka Urku nicht zu allen sechs Sitzungen gehen, auch wenn ich manchmal nachmittags die 1-2 Stunden nach Tena fahre und am nächsten Morgen wieder zurück. Im Workshop analysieren und besprechen wir Gedichte zu jeweils einem anderen Thema. Ich war bereits bei Liebeslyrik, Kinderlyrik und Protestlyrik dabei. Leider habe ich die Sitzung über zeitgenössische Poesie verpasst. Auf Spanisch teilweise sehr alte Gedichte zu verstehen fordert mich noch einmal ganz anders heraus, aber ich bin glücklich, diesen kreativen Raum hier gefunden zu haben. Am Ende jeder Stunde machen wir eine eigene kleine Übung und das große Ziel ist es, nächste Woche an unseren eigenen Kreationen zu arbeiten und diese in einem Dokument gesammelt zu veröffentlichen. Ich bin schon gespannt, noch mehr von den anderen Teilnehmenden zu lesen.

Hier findet der Workshop statt
Besuch in der Liana Lodge/ AmaZoonico

Letztes Wochenende habe ich relativ spontan zwei Freiwillige in der Liana Lodge besucht und mir die Tierauffangstation AmaZoonico angeschaut. Wir hatten echt eine schöne Zeit! Hier ein paar Eindrücke:

Ozelot 🙂
Tapir

Weitere random Fotos der letzten Monate

Fazit

Alles in Allem geht es mir gerade echt gut. Wie schon erwähnt habe ich neue Energie und Lust das Land zu erkunden und meinen Freiwilligendienst bis zum Schluss zu genießen. Manchmal fühlt sich das Blog-Schreiben wie eine Einbahnstraße an – ich erzähle viel nach Hause, habe aber (bis auf meine engsten Menschen) keine Ahnung, was eigentlich dort so abgeht. Wie geht es euch so? Was beschäftigt euch zur Zeit? Und habt ihr vielleicht Fragen/ Anmerkungen/ Themenvorschläge etc. für meinem Blog? Lasst gern mal wieder von euch hören, ob in den Kommentaren oder Privat 🙂

Bis bald!

Das bedeutet Ecuador für mich…

Anfang Februar hatten wir unser Zwischenseminar in einer Lodge in der Nähe von Tena. Es war total schön, die anderen Freiwilligen wiederzusehen und sich auszutauschen. Gemeinsam haben wir Themen und einen Seminarplan erarbeitet. Wie auch beim Vorbereitungsseminar wurde viel reflektiert… Unser Abschlussthema am letzten Tag war „Was bedeutet Ecuador für dich?“. Es war total spannend zu sehen, wie teilweise die gleichen, teilweise total verschiedene Assoziationen in meiner Kleingruppe auftauchten. Einen großen Unterschied merkt man auf jeden Fall je nach dem, ob die Person in der Sierra (Andenregion) oder im Oriente (Amazonasregion) lebt und arbeitet. Ich dachte, vielleicht sortiere und teile ich die Stichwörter mal, die wir so gesammelt haben… Die Wörter, die Fett markiert sind, sind die stärksten Assoziationen für mich.

Unterwegs und Alltag

Kolonialstädte

Z.B. Cuenca oder das historische Zentrum von Quito. Die Einzigen „schönen“ Städte mit hübschen alten Häusern etc.

Historisches Zentrum in Quito
heruntergekommene/ hässliche Städte

Das typische Stadtbild in Ecuador ist doch eher trist.

Wäscheleinen

Wäsche wird vor/ neben/ auf dem Haus auf gehangen und gehört zum Stadtbild. Die Sonne wird zum Trocknen ausgenutzt.

Straßenhunde

Straßenhunde findet man echt überall. Manche sind komplett ohne Besitzer*in, andere dürfen wie Katzen einfach frei herumstreichen. Manchmal muss man aufpassen, weil sie aggressiv sein können.

Motor-Kanu

Riesige Kanus die mit Motor betrieben werden sind das Fortbewegungsmittel auf Flüssen. Manche Orte erreicht man auch nur so…

Comunidades

= sehr kleine, i.d.R. Indigene Dörfer

Blechdächer

Gibt es häufiger, besonders bei Regen wird es darunter echt laut.

Abgase

freie Hühner

Vor allem in kleineren Städten/ Dörfern laufen nicht nur Hunde, sondern auch Hühner frei herum.

Hühner auf dem Schulhof in Puka Urku
ungesicherte Dachterassen

Habe ich persönlich eher weniger gesehen, soll aber in den Bergen ein Ding sein.

Klopapier mitnehmen/ nicht herunterspülen

Entweder man hat selber was dabei, oder man kann meistens bei öffentlichen Toiletten für 25 cent ein bisschen abgewickeltes Papier kaufen. Das Papier wird immer separat in den Müll getan, damit die Wasserreinigung einfacher ist oder so.

Bargeldkultur

Fast überall kommst du nur mit Bargeld weiter und Leute heben teilweise auch winzige Beträge wie 10 Dollar einzeln ab, wenn sie sie brauchen.

Jesus/ Maria/ Heiligenbilder

Statuen, Kreuzen, Bildern, Amuletten oder Bibelzitaten begegnet man überall, z.B. im Bus. Das Land ist schon recht katholisch geprägt.

verschiedenen Klimazonen

Die Küste, die Berge, der Regenwald und die Galapagos-Inseln sind die vier verschiedenen „Welten“ Ecuadors und haben schon einige Unterschiede (nicht nur klimatisch).

Plastiktüten

Jeder mini-Einkauf wird in eine oder mehrere Plastiktüten eingepackt.

Straßenverkäufer*innen in Bussen

Wenn ein Langstreckenbus hält steigen normalerweise Straßenverkäufer*innen kurz ein, gehen einmal bis nach hinten und bieten ihre Ware feil.

Moto-Taxi

Motorräder sind DAS Fortbewegungsmittel hier und ab 50 cent kann man sich mitnehmen lassen. Gut und gerne quetschen sich mal 2-4 Leute auf eine Maschiene, i.d.R. hat maximal der*die Fahrer*in einen Helm…

schreiende Verkäufer*innen

Man gewöhnt sich daran, aber überall in der Straße/ auf dem Markt/ im Bus/ … kann versucht werden, dir die eigene Ware zu verkaufen.

Wildes Bussystem

Am Anfang hat es Umgewöhnung gebraucht, denn das Bussystem ist hier zwar recht flächendeckend ausgebaut, aber sehr anders als in Deutschland. Z.B. gibt es keine Haltestellennamen, keine Fahrpläne für Stadtbusse, du kannst überall rausgeschmissen werden, bezahlst in Münzen direkt beim Einsteigen, die Busse rasen recht gerne mal und manchmal bleiben einfach die Türen beim Fahren offen.

Taxi-Fahren

Ist auch recht verbreitet und in Vergleich zu Deutschland echt mega günstig (2-3 Dollar für eine einfache Fahrt).

Cat-Calling

Leider auch recht verbreitet, auch wenn es drauf ankommt, wo man ist… 🙁 Mir zum Glück noch nicht allzu oft begegnet.

schlechte Filme in Reisebussen

Vor allem Action und Horror, das Ding ist, sie laufen (auch nachts) immer laut und es sind ja auch Kinder im Bus…

Cédula Nummer

Cédula ist der Personalausweis hier und die eigene Nummer kann jede*r auswendig und wird beim Einkaufen, Irgendwo registrieren oder Rechnung schreiben immer abgefragt.

Capybara

Manchmal kommt das Gefühl auf, Ecuador ist ein Capybara (das sind diese süßen Felltiere) Fanclub. Immer wieder begegnen einen Capybara Kuscheltiere, aber auch alle möglichen anderen Artikel (Rucksäcke, T-Shirts, …).

Haifisch-Schlappen

Badeschlappen, die aussehen wie Haifische. Keine Ahnung warum die hier so viele tragen, auf jeden Fall findet man sie auffällig häufig.

wunderschöne Natur

Die Natur, die ich bis jetzt sehen durfte, war einfach nur atemberaubend. Sowohl die Anden als auch der Regenwald ist wunderschön.

Wasserfälle

Ich habe in sechs Monaten bestimmt mehr Wasserfälle gesehen als je zuvor in meinem Leben 🙂

krasse Viecher

Insekten haben hier alle noch einmal ein Upgrade – in der Regel größer und manche können unerwartet einfach fliegen (Kakerlaken? Heuschrecken? Ameisen?). Außerdem gibt es alle möglichen Arten von Schrecken, die sich als Stöcke oder Blätter tarnen. Und dann gibt es noch die Mücken… Alles in allem habe ich mich aber recht schnell an die Tiere gewöhnt.

Die Melodie des Gas-Autos

Fast alle kochen hier mit Gasherd und es gibt so Wägen, die die Flaschen liefern. Immer wenn das Auto auf der Straße vorbei fährt spielt es die gleiche nervige Melodie ab, damit alle wissen, dass sie rauskommen und Gas kaufen können… So iconic.

niedrige Preise

Ein Mittagessen für 2,5 $, eine Busfahrt für 30 cent oder Taxi fahren für drei Dollar… Ich werde die Preise hier vermissen.

Machete

Vergesst Rasenmäher, Gartenscheren, Äxte, Küchenmesser etc. etc. Macheten sind multifunktional und werden immer eingesetzt 🙂

Ich beim Machete schleifen…

Essen und Essenskultur

Überzuckerte Säfte (jugos)

Jugos – Säfte – gibt es echt überall und immer als Getränk

mora

Mora ist eigentlich Brombeere, nur das diese hier einen leicht anderen Geschmack hat. Zur Zeit ist sie reif und man findet sie überall. Mit Gelatine zum Lutschen, als Eis, Sauce für Desserts, Saft, Marmelade, ….

frutas

Ich glaub zu frutas (Früchten) muss ich nicht viel sagen… Alle Formen und Farben vertreten.

helado con queso (Eis mit Käse)

Sehr fettig, aber eigentlich ganz lecker

viel Mayo

oft sogar selbstgemacht…

alle trinken aus den gleichen Becher

vor allem in der Schule, beim Feiern oder in der Communidad

(Trockener) Reis

Reis ist schon das Grundnahrungsmittel hier und wird auch durchaus pur mit Hähnchen, ohne Sauce gegessen…

Öl, Fett, Kohlenhydrate

Trotz der Vielfalt an Gemüse und Obst hier ist die traditionelle Küche doch eher Reis mit Frittiertem. Überall wird noch mal ordentlich Öl oder Käse dazu gegeben

Achiote

Die Pflanze wird einerseits zur Körperbemalung (oder von mir auch einfach so zum Malen) genutzt, andererseits wird ihr rötliches Öl sehr gern zum Kochen verwendet und z.B. Reis oder Saucen beigegeben

salsa de tomate (Ketschup)

Ketchup wird wie Mayo bei Straßenverkäufen fast immer dazu gegeben, hat aber leider oft einen eher chemischen Geschmack und erinnert noch weniger an Tomate als in Deutschland

ají (Chili)

Chili wird in Form von selbst gemachten (stückigen/ Salat ähnlichen) Saucen immer zum Essen dazu gestellt)

Tilapia Folterbecken

Tilapia ist ein Fisch, der hier sehr beliebt ist. In der Straße kommt man immer mal wieder an Fischereien vorbei, die Becken wirklich vollgestopft mit diesen lebenden Fischen haben. Glücklich können die da nicht sein…

Das ist tatsächlich noch einmal eine andere Fischart und das Becken ist noch verhältnismäßig leer, aber so in etwa kann man es sich vorstellen…
guaba

Guaba ist eine Frucht die wie in einer ca. 1 m langen Bohne wächst und man echt überall am Straßenrand findet. Man isst das weiße Fruchtfleisch der Bohnen und spuckt den Kern dann aus.

Parasiten und Margen-Darm

An den beiden Themen kommt man in Ecuador auf Dauer wohl nicht vorbei…

Kokossaft auf der Straße

Wird wirklich überall angeboten und ist mega lecker.

schlechtes Brot

Das Brot ist weiß, sehr luftig und in der Regel sehr sehr trocken. Manchmal hast du noch eine kleine Käsefüllung. Von der Größe ist jedes Brot eher ein Brötchen, nur dass es keine Kruste hat.

Bohnen/ Linsen

Bohnen/ Linsen in allen Möglichen Ausführungen gibt es als sogenannte manestra zum Standard Gericht (Reis/ Bohnen/ Salat/ Hähnchen) überall dazu. Stangenbohnen sind das Einzige, was mir fast nie begegnet.

Eier

Überall kann ein (Spiegel-)ei dazu serviert werden. Normalerweise kauft man Eier in großen Paletten auf die vielleicht so ca. 25 Eier passen. Am Tag 3-5 Eier zu essen passiert sehr schnell hier…

pollo (Hühnchen)

Absolutes Lieblingsessen der Meisten hier. Überall gibt es Hähnchen mit Reis und Hähnchensuppe. Der Fleischkonsum ist wirklich enorm und auch wirklich billig. Übrigens: Pollo wird nicht zu carne, also Fleisch dazu gezählt. Carne ist dann der Rest (Rind, Schwein, …).

Nestle

Beim Einkaufen kommt man um Nestle leider überhaupt nicht herum. Fast alle verarbeiteten Produkte kommen davon…

Kakao Bohnen

Das Fruchtfleisch zu lutschen ist echt lecker. Außerdem sieht man oft die Bohnen auf Landstraßen am Rand in der Sonne trocknen.

Screenshot
plátanos (Kochbananen)

Kochbananen gibt es wirklich überall. Man kann sie als Chips machen, frittieren, kochen, kochen und danach zu Krümeln zerstampfen, in Suppen tun, … Man unterscheidet zwischen verde und maduro (grün und reif). Die Grünen kann man nur gekocht essen und sind eher herzhaft (sehr lecker), die bereits Reifen sind sehr süß, karamellisieren beim Braten leicht und werden trotzdem zu herzhaften Gerichten gereicht (ich stehe nicht so drauf…). Beim Schälen muss man voll aufpassen, denn die Schale hat so einen klebrigen Saft der Braune Flecken hinterlässt und nicht abgeht.

encebollado

Eine typische Fischsuppe die sehr viele (Einheimische wie Ausländer*innen) lieben… Ich mache mir nicht so viel draus.

Suppen

Bei einem normalen Essen für 2-4 US-Dollar bekommt man in der Regel vor dem Riesen Teller Reis/ Bohnen/ Salat/ Hähnchen eine Suppe. Suppen gibt es echt überall, allerdings meistens mit Fleisch.

Guayusa

Eine Art Tee, aus dem man auch sehr gesüßten Eistee machen kann. Die Pflanze ist sehr lokal, enthält viel Koffein und soll sehr gesund sein. Er wurde von Indigenen schon lange als alltägliches Getränk, in Zeremonien oder vor der Jagd getrunken und hält einen angeblich jung. Im Amazonasgebiet gibt es den (Eis-)tee überall, in den Bergen kennen sogar viele das Getränk nicht einmal…

Die getrockneten Blätter
Guayusa Tee
ungewürztes Popcorn

Popcorn (ohne Salz/ Zucker) wird wie Crotons in Suppen getan.

Yuka und Chicha

Yuka ist eine Wurzel, die man z.B. kochen oder frittieren kann und dann vom Geschmack her ein bisschen an Kartoffel erinnert. Wird überall dazu gereicht und wächst auch an Straßenrändern. Chicha ist ein indigenes Getränk, das aus fermentierter Yuka besteht und für mich ein bisschen den Geschmack von Ziegenmilch hat. Das Getränk sättigt sehr und wird z.B. während der Arbeit getrunken. Nach ein paar Tagen enthält es ordentlich Alkohol.

Löffel

Nicht immer, aber ab und zu gibt es beim Essen nur einen Löffel. Mit der Zeit lernt man alles Mögliche damit zu essen (auch Spiegelei).

Lebensmittel-Ampel

Auf jedem verarbeitetem Produkt steht hinten drauf, ob es jeweils wenig (grün), mittel (gelb) oder viel (rot) Fett, Salz und Zucker enthält.

Kultur

Familie

Familie hat in Ecuador durchschnittlich einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland. Auch junge erwachsene Menschen sind noch jahrelang/ jahrzehntelang von ihren Eltern beeinflusst (abhängig?) und leben auch länger noch zuhause.

Ecuabet

Wetten um Geld (z.B. bei Fußballspielen) ist sehr verbreitet…

US-Fan

Vor allem in den Städten merkt man überall den Einfluss der US-Amerikanisierung. Vieles wird relativ unreflektiert übernommen/ nachgeeifert. Dazu gehört nicht nur der US-Dollar als Nationalwährung, auch der Bau von Malls, sich Coca Cola leisten können, Konsum, amerikanische Filme, …

Nationalstolz

Für mich als Deutsche ist es teilweise befremdlich, den starken Nationalstolz anderer mitzubekommen. Das soll allerdings generell ein Ding in Amerika sein. In Ecuador ist es in Highschools z.B. üblich die Flagge zu hissen und die Nationalhymne in Reih und Glied zu singen. Überall begegnet man Ecuador-Flaggen und die meisten Menschen sind stolz auf ihr Land.

traditionelle Kleidung

Während traditionelle Kleidung der Amazonasregion i.d.R. Nur bei Tanzaufführungen auf Festen getragen wird, begegnet man in den Anden immer wieder Indigenen mit ihren Hüten, langen Röcken, Goldschmuck etc. etc.

traditionelle Blusen auf Indigenen Markt in Otavalo
Tanzauftritt zur Feier in Puka Urku in traditioneller Kleidung
Katholische Kirche

Der Großteil der Bevölkerung Ecuadors ist katholisch und man bemerkt diesen Einfluss überall. Neben vielen Kirchen stolpert man immer wieder über Abbildungen von Jesus/ Maria/ Heiligen im Bus, auf der Straße etc. Mein Umfeld im Freiwilligendienst ist nicht so stark religiös geprägt, aber andere Freiwillige sind z.B. in religiösen Kindereinrichtungen oder leben bei einer katholischen Gastfamilie. In der Grundschule, in der ich arbeite, wird mit den Kindern gebetet/ Kirchenlieder gesungen.

Sexualität offener/ sichtbarer?

Für mich als Außenstehende wirkt die Ecuadorianische Kultur sehr ambivalent. Auf der einen Seite steht die starke Religiosität, auf der anderen sexuelles Ausleben. Hier wird es häufiger nicht als Widerspruch angesehen z.B. gläubig zu sein, aber in sehr enger Kleidung in Discos getanzten Sex zu haben. In Bussen begegnen mir Bibelzitate und Jesusbilder, aber auch Sprüche wie z.B. (übersetzt) “Wenn der Knopf nicht funktioniert, dann schreie wie letzte Nacht”, “Wenn das Kind vom Fahrer ist, ist die Fahrt kostenlos.” oder “Ich bin wie der Honig der Biene, an mir bleiben Frauen kleben.”… Direkt daneben “Gott beschütze mich auf meinem Weg”…

Ich würde nicht sagen, dass alle hier total sex-geil oder aufreizend gekleidet wären, aber es scheint eine sehr größere Entspannung mit dem Thema Sexualität zu geben (jedenfalls so lange es heteronormativ bleibt…), als ich es aus Deutschland kenne.

wenig Aufklärung

Hand in Hand mit der etwas freieren Möglichkeit sich sexuell auszuleben geht der Anschein einher, dass wenig sexuell aufgeklärt wird. Frühe Schwangerschaften sind nicht unüblich und manchmal habe ich den Eindruck, dass Verhütung von manchen als “unsexy” angesehen wird… Der Eindruck ist, dass vor allem Schulen dem Auftrag Aufzuklären nicht nachkommen.

Neben wenig sexueller Aufklärung, scheint es aber auch bei anderen Themen bei der Mehrheit der Gesellschaft wenig Wissen zu geben. Beispiele: Umweltschutz, Rassismus, Demokratie, psychische Probleme, …

Deutschland ist in seiner Aufklärung auf jeden Fall noch nicht perfekt, ich merke aber schon, dass bei uns Kinder eher/ verpflichtender mit solchen Themen in Kontakt kommen und wenigstens vllt. In einer Doppelstunde während der Schullaufbahn darüber geredet wird.

Machismus

Machismus ist hier weiter verbreitet… Männer spielen eher den Starken, konkurrieren und denken, sie könnten und dürften die Frau dominieren. Traditionelle Familienstrukturen sind nicht unüblich, Töchter müssen deutlich mehr mithelfen im Haushalt als Söhne und auch sexuelle Belästigung wird als normaler/ alltäglicher/ verzeihlicher(?) angesehen. Die Rollenbilder sind noch sehr stark in den meisten Köpfen drin. Wenn ich z.B. neue Wassertanks für das Pakashka Sacha bestelle, ist der Lieferer doch recht perplex wenn ich mithelfe sie hochzutragen und häufiger haben Männer das Bedürfnis mir helfen zu müssen, weil sie mir Sachen nicht selbst zutrauen. Das ist eine sehr milde Form. Aber der Machismus und letztendlich Sexismus gräbt tiefe Gräben und kann Formen annehmen, die bis hin zu sexuelle Belästigung, Vergewaltigung, Gewalt in der Ehe oder Femizide reichen.

Bargeldkultur

Ich glaube dazu muss ich nichts sagen… Ich renne auf jeden Fall ständig mit meinen Dollar und Cent Münzen herum.

relaxed/ im-Hier-und-Jetzt/ Spontanität/ Unzuverlässigkeit

Es ist ein bisschen ein Klischee, aber ich kann es irgendwie bestätigen: Die Mentalität hier ist so viel entspannter. Es gibt weniger strenge Vorschriften (bzw. Niemand kümmert sich um sie), weniger streng getaktete Alltäge, feste Pläne, Hektik, …

„In Ecuador ist alles möglich, aber nichts sicher“ ist ein Spruch hier oder auch „Alles kann, nichts muss in Ecuador“ und das stimmt. Viele Treffen sind super spontan, wenn gesagt wird, dass eine Feier um 19 Uhr losgeht, kann es schon mal bis 21:30 Uhr dauern bis wirklich was passiert und teilweise kann mir ein Student im Haus erzählen, er zieht nächste Woche aus, vielleicht aber auch nicht und er weiß noch nicht wo er dann leben und arbeiteten will… Auf der Straße quatschen Leute entspannt, wenn gerade Pause ist wird eben später oder morgen oder nie weitergearbeitet und das Projekt beendet und wenn du spontan was machen willst findet sich meistens jemand.

Auf der einen Seite ist dieses Lebensgefühl sehr angenehm, da man viel mehr im Zeitfluss lebt, anstatt ihn künstlich zu takten, auf der anderen Seite ist die dadurch entstehende Unzuverlässigkeit auch manchmal nervig (z.B. wenn Leute in letzter Sekunde absagen, nie was zustande kommt usw.). Insgesamt nehme ich es aber als sehr befreiend wahr, denn in Deutschland hatte ich schon teilweise das Gefühl, dass meine Termine mich erdrückten und ich immer genau ausrechnen musste, wann ich wo hin gehen musste. Außerdem spüre ich selbst durch die Distanz den Druck/ die Erwartungshaltung aus Deutschland, dass ich irgendwie mein Leben in die Hand nehmen, etwas studieren/ machen, mir Pläne/ Ziele setzen sollte… In Ecuador kenne ich persönlich kaum jemanden, der sich so krass mit der Zukunft auseinandersetzt: Es kommt doch eh immer anders als gedacht. Also kann man auch einfach im Jetzt leben…

kulturelle Vielfalt

In Ecuador existieren (je nach dem wen man fragt, ich finde immer wieder andere Zahlen) bis zu 16 anerkannte verschiedene Nationalitäten/ indigene Kulturen mit eigenen Sprachen, Traditionen und Kultur. Deshalb sehe ich auch immer wieder Regenbogenflaggen (allerdings andere, als die Pride-Flag der LGBTQIA+ Bewegung), die für kulturelle Vielfalt und den Respekt für indigene Kulturen steht. All diese verschiedene Einflüsse machen Ecuador letztendlich aus, denn es gibt nicht DIE Ecuadorianer*innen. Ich habe relativ viel mit Kichwa zu tun (wobei man da auch noch mal zwischen den Kichwa der Anden und des Regenwaldes unterscheiden muss), aber es gibt auch die Shuar, Otavalo, Chachi, Huaorani usw.

Karte, auf der man die verschiedenen Indigenen Kulturen und Nationalitäten in Ecuador sehen kann. Ich wohne in der Provinz Napo (Nr.28)…

Bildquelle: https://www.gifex.com/fullsize/2011-11-11-14895/Mapa-etnogrfico-del-Ecuador.html (letzter Abruf: 16.3.2025 22:15 Uhr)
Kosewörter und Verniedlichungen

Kosewörter und Liebesbekundungen werden dir in Ecuador i.d.R. Deutlich schneller gegeben. Selbst beim ersten Date werden Menschen z.B. schon als „mi amor“, „mi corazon“ oder „mi vida“ (meine Liebe, mein Herz, mein Leben) bezeichnet. Irgendwie passt es zu der Gastfreundschaft der Menschen und der Sprache. Auf Deutsch/ In Deutschland wirkt vieles davon total übertrieben. Das gleiche mit Verniedlichungen: Sie funktionieren im Spanischen so gut und werden echt gern benutzt. Im Deutschen sind sie kaum aussprechbar/ total lächerlich. Ein Beispiel: „Pollito con arrozito para un dollarito.” wäre in etwa “Hähnchen mit Reischen für ein Dollarchen”… Aber auch Namen werden gern verniedlicht, z.B. Danielito, Pablito, Marita usw. Am Anfang wurde ich von ein paar Studenten statt Amanda Amandita genannt… Komischerweise hat das allerdings aufgehört (vllt. Weil sie mehr Respekt vor mir bekommen haben?). Aber selbst bei Arzt wurde ich z.B. von Krankenschwestern “pobrecita” oder “corazon” genannt (du Arme in verniedlicht (du Ärmchen?) / Herz…).

Musik

Egal ob im Bus oder auf der Straße: Immer wieder läuft Musik im Hintergrund. Mit der Zeit habe ich mich echt an den Vibe gewöhnt und kann mittlerweile auch romantischen Balladen, Reggaeton oder (der für mich immer etwas gleich klingenden) Kichwa Musik etwas abgewinnen. Die Musik ist einfach Teil des Lebensgefühls hier. Falls euch interessiert, welche Lieder mir so begegnen hört doch gern mal in die Playlist herein, an der ich gerade arbeite:

“Chicos del Barrio” – eine der Bands, die auf Kichwa singt… Kleiner Eindruck in die Musik 🙂
“Vagabundo borracho y loco” als Beispiel einer romantischen Ballade hier… Message des Textes (für alle, die nicht Spanisch verstehen): Sie hat mich verlassen und mein Herz schmerzt so sehr, dass ich nicht weiter weiß, als mich zu betrinken 😅
DER Song hier… Keine Ahnung warum, aber der läuft seit ich hier bin wirklich in jedem Radio, jedem Laden, überall. (Der eigentliche Song beginnt so nach ca. 1 min im Video)
eigene Spanische Wörter/ Redewendungen

Lateinamerikanisches Spanisch unterscheidet sich generell schon noch mal vom Spanisch, das in Spanien gesprochen wird und dann hat noch jedes Land seine eigenen Dialekte, Wörter und Redewendungen… In Ecuador liebe ich ja die Anreden „veci” (Art Verniedlichung von “vecino”, Nachbar) oder “mija”, aber es gibt noch unzählige andere. Meine liebster lokaler Ausruf ist “achachay”. Das sagt man vor allem, wenn man sich nass gemacht/ voll gespritzt hat und/ oder wenn einem kalt ist.

amig@1

Jede*r hier scheint einen unfassbar großen Bekanntenkreis zu haben (egal welches Problem du hast, Menschen kennen immer einen Bekannten eines Bekannten, der dir weiterhelfen könnte. Aber auch generell wirst du super schnell „amig@“, also Freund*in genannt…

Korruption

… ist leider ein ernst zu nehmendes Problem Ecuadors und zieht sich durch alle Ebenen von Institutionen.

fiestas

In Ecuador wird sehr gern gefeiert. Falls ihr mehr über die verschiedenen Feste wissen wollt, auf denen ich schon war, lest doch meinen Artikel darüber.

bunte Ohrringe

Ich mag es, wie viele Frauen typische Ohrringe von hier tragen. Beliebt sind bunte Muster/ Tiere aus kleinen Plastikperlen (vor allem Papageien), aber auch Schmuck mit Federn, aus Gold etc etc…

Die hier habe ich mir gekauft 🙂
Minga

Mingas sind so etwas wie Arbeitseinsätze, gleichzeitig sind sie eine Arbeits- und Gemeinschaftsphilosophie. Der Ansatz ist: alle helfen mit. Wenn im Dorf jemand ein neues Haus baut, dann wird eben eine Minga gemacht und alle helfen, mit dem Wissen, dass es dem Gemeinwohl dient bzw. Man auch Hilfe bekommt, wenn man sie braucht. Im Pakashka Sacha machen wir regelmäßig Mingas, um Arbeit am Grundstück zu erledigen, aber auch in der Grundschule gibt es z.B. monatlich eine Minga, bei der alle Eltern der Schüler*innen helfen den Schulhof zu reinigen etc etc.

Fazit

Das Leben in Ecuador ist manchmal verblüffend, manchmal faszinierend und mittlerweile Alltag für mich. Andere Dinge wiederum fühlen sich für mich seit Anfang an normal an. Die Grundlage einer Gesellschaft sind wohl überall gleich… Ich hoffe, ich konnte einen kleinen Einblick geben und habe nichts vergessen. Vielleicht mache ich irgendwann mal ein Update oder einen zweiten Teil. Falls ihr Fragen zu etwas habt, schreibt mir gern in die Kommentare 🙂

Bis bald!

  1. Das „@“ am Ende eines Substantives ist eine mögliche Form der genderneutralen Sprache im Spanischen. Normalerweise Enden viele Nomen auf o (männlich) oder a (weiblich). Z.B.: amigo (Freund) und amiga (Freundin). Das @ sieht ein bisschen so aus wie ein a in einem o, deshalb wird es als „beides“ genutzt… ↩︎