Reflexion (schon ein Monat hier…)

Seit einem reichlichem Monat lebe ich jetzt schon in Ecuador und ich kann mir meinen Alltag in Deutschland bereits gar nicht mehr vorstellen. Die letzten Wochen sind unglaublich schnell verflogen und doch fühlen sie sich an wie eine Ewigkeit. Ich habe mich an so vieles hier gewöhnt und trotzdem probiere ich immer wieder neue Sachen aus, lerne dazu und wachse über mich hinaus. Diese Woche kommt dann auch endlich der dritte Freiwillige nach und wir werden immer zwei Leute im Pakashka Sacha auf einmal sein, während der*die Dritte nach Puca Urku geht. Darauf freue ich mich schon, ich hoffe, das wird cool. Mara und ich sind im letzten Monat echt eng geworden, was ich so schnell und so extrem nicht erwartet hatte, mich aber sehr freut. Wir teilen basically alles: Gedanken, Klamotten, Schmuck, unsere Gefühle, Crushs, Geld, Chips, Rucksäcke und manchmal sogar mein riesiges Bett, wenn bei Mara wieder ein riesiges Insekt im Zimmer ist und sie sich nicht traut, es zu betreten…

Mittlerweile ist mein Spanisch auch schon besser geworden, ich kann mich verständigen und mehr oder weniger tiefe Gespräche führen. Langsam baue ich Beziehungen zu den Menschen hier auf, freunde mich mit den Studierenden an und habe die Namen der meisten Kinder der Schule im Kopf (außer Jaison, Jaiden und Jaidan, die kann kein Mensch auseinanderhalten). Das Leben hier ist zu einer neuen Routine geworden und ich genieße diesen Alltag sehr. Während ich letzten Monat mein Hobby Lesen echt schleifen lassen habe (Mangel an Büchern und so viele andere Eindrücke), bin ich dafür wieder öfter zum Schreiben gekommen. Falls es euch interessiert, findet ihr im Folgenden noch ein paar random Eindrücke der letzten Wochen…

fremd 

Jeden Tag
Ein neues Fettnäpfchen
Lotse die Grenzen aus
Manchmal zu viel
Manchmal zu wenig
Das Bauchgefühl,
Das kommt noch

Drehe mich in Kreisen
„Yo soy Amanda. Soy de Alemania.”
Essen, schlafen, arbeiten
Zum zehnten Mal vergessen,
Was „riechen“ auf Spanisch heißt
Gesprächsbrocken sickern in mein Gehirn
Ich nicke einfach und lächle
Warum das witzig war,
Verstehe ich später
(Manchmal)

Super easy going
War noch nie so extrovertiert
Hab keine Wahl,
Muss halt irgendwie
Die selbstgebauten Mauern einreißen
Und fragen, fragen, fragen
Scham kann ich mir nicht leisten
Noch bin ich lost
Noch bin ich fremd
Und weiß nicht wie die Dinge laufen
Noch…

Alltag

Mein Alltag ist sehr davon bestimmt, ob ich gerade in Puka Urku bin und in der Grundschule helfe (mehr dazu im Artikel über meine ersten Wochen dort) oder im Pakashka Sacha lebe, viel putze, koche, Arbeiten am Haus mache, Zeit mit den Studierenden verbringe, einkaufen gehen kann, Englisch Einzelunterricht gebe, die Hunde füttere und einmal die Woche in der Englischschule in Tena den Unterricht begleite und mit den Schüler*innen ein bisschen auf Englisch quatsche.

Alltag im Pakashka Sacha:

Im Markt einkaufen…

Alltag in Puka Urku:

sin ti

Alles anders
Und doch irgendwie gleich
Essen, schlafen, atmen
Die Tage verrinnen
Und ich vermisse Käsebrot
Vermisse Straßenbahnen
Vermisse dich

Zwischen uns
Nur ein Ozean -
Nur ein Jahr -
Nur ein Anruf -
Zwischen uns
So viel Luft

Am anderen Ende der Welt
Ein leises Atmen
Bist du das?
Hörst du mich?
Die Leitung stockt
Lass sie niemals -
Lass sie nie abreißen

Wie geht es dir?
Ich starre auf das Handy
Und versuche deine verpixelten Gesichtszüge zu lesen
Eine Woche kein Update
Lebst du noch?
Nicht existieren,
Ich meine leben,
So richtig leben…

Fremde Wörter
Verlassen meinen Mund
Vermische die Sprachen
Zu einer neuen
Zu meiner eigenen
Versteht ihr mich?
(Sprachbarriere)

Überwinde Mauern
Und schaffte neue Grenzen
In Gedanken immer an deiner Seite
Deine Stimme in meinem Kopf
-Hörst du mich auch?
Deine Stimme in meinem Kopf…
Das ist alles, was ich brauch

Highlights

Während der letzten Wochen gab es so viele Highlights, dass es mir schwer fällt, alle zusammenzukriegen. Immer wieder schön war es baden zu gehen – egal ob im Fluss bei Puca Urka, in Pano oder an anderen Badestellen. Einmal war ich mit einem der Studenten bei einem echt schönen Wasserfall schwimmen, dass war schon magisch. Generell bleibt die Natur einfach ein Highlight für mich. Jeden Tag wache ich im Regenwald auf und kann es selber kaum glauben. Es ist unfassbar schön hier und ich genieße es, morgens den Nebel über den Bäumen zu beobachten und abends zu den Geräuschen des Waldes einzuschlafen.

Baden 🙂
Durch den Bambuswald
Ganz normale Landschaft beim Bus fahren 🙂
Einfach jeden Tag im Dschungel aufwachen und einschlafen…

So langsam komme ich an den Punkt, an dem sich erste Routinen eingeschliffen haben und ich nicht mehr komplett lost bin. Die Momente, wenn ich z.B. mit dem Bus nach Tena fahre und weiß wo ich bin sind echt schön. Es ein gutes Gefühl, Orte wieder zu erkennen und sich langsam auch in der Stadt heimischer zu fühlen. Ich erkenne Graffitis, Läden, Restaurants und den einen lustigen Mülleimer, der wie eine Ente aussieht, wieder und weiß, wo ich was bekomme, es gutes Eis mit Käse gibt und welche Marktfrau immer ein paar Früchte zum Einkauf dazu schenkt (und das süßeste Lächeln überhaupt hat)…

in Tena unterwegs…

In den letzten Wochen hatte ich zudem ein unglaublich positives Körpergefühl. Im Regenwald mit nur den paar Sachen, die ich aus Deutschland mitgenommen habe, gibt es bei mir im Moment sowieso keine krassen Outfits, aber das ist okay so. Die meisten Menschen laufen hier eher entspannt rum. Es tut unglaublich gut, dass ich ausnahmsweise mal nicht immer die Kleinste von allen, sondern totaler Durchschnitt von der Größe bin. Täglich begegnen mir sogar Leute, die noch kleiner sind. Und auch vom Gewicht fühle ich mich hier sehr viel normaler – mein Eindruck bisher ist, dass Kurven hier eher als attraktiv gelten als super dünn zu sein. Auf den Straßen sehe ich viele Menschen, die irgendwie in der Mitte sind – weder extrem schlank, noch extrem dick. Und das tut gut, den ich finde, so sollte es sein. Warum ist in Deutschland der Druck auf junge Frauen so allgegenwärtig, in ein bestimmtes Schönheitsideal hineinzupassen?

Ein weiteres Highlight ist die Zeit, die ich hier mit anderen Menschen verbringe. Abends machen wir im Pakashka Sacha manchmal Lagerfeuer oder spielen Spiele. Auch wenn ich immer noch mehr tiefe Gespräche führen könnte, haben sich dennoch einige schöne ergeben, die mir viel Spaß gemacht haben. Manchen Studierenden bringe ich zudem ein bisschen Deutsch bei, was echt lustig ist (Ich wusste nicht, dass „achtzehn“ und „schwarz“ so schwer auszusprechen ist…). An einem Abend sind wir zu dritt tanzen gegangen, was echt cool war, auch wenn ich Salsa, Bachata und die anderen Tänze hier noch nicht ganz verstehe… Mit Mara verbringe ich auch viel Zeit, wir reden über alles und tauschen uns aus. Letzte Woche habe ich sie zum Tattoo Stechen begleitet und ihre Hand gehalten. Ich genieße es sehr, jemanden zu haben, die in der gleichen Situation steckt, auch ein riesiges Chaos im Leben hat und mit der ich diese Erfahrungen hier teilen und gemeinsam erleben kann.

In Puka Urku bin ich immer wieder beeindruckt von der Gastfreundschaft der Menschen. Alle sind super lieb und jedes Mal schenkt mir die Familie des Chefs irgendetwas – Kochbananen, Papayas oder andere Früchte. Auch die Kinder sind super süß und anhänglich, sie reißen sich darum, meine Hand halten zu können und haben mir Blumen gepflückt. Es macht mich total dankbar, wie hilfsbereit die Leute sind und wie sie mir immer wieder beistehen. Vorgestern habe ich aus Versehen ein halbes Großfamilientreffen ausgelöst, weil ich Hilfe brauchte beim Gas Anschließen, es Probleme gab und die ganze Familie versucht hat mir zu helfen. Aber auch generell habe ich das Gefühl, dass die Menschen in Ecuador im Schnitt freundlicher sind. Überall auf der Straße grüßen sich Leute, wenn du in einen Laden gehst und die das, was du suchst, nicht haben, empfehlen sie „die Konkurrenz“ weiter und wenn du nach deinem Bus rennen musst, kannst du sicher sein, dass er anhalten und auf dich warten wird.

Ein weiteres Highlight ist der Tee, der aus der lokalen Guayusa Pflanze gewonnen wird und aufgrund verschiedenster Inhaltsstoffe trotz hohem Koffeingehalt sehr gesund ist. Guayusa schmeckt ein bisschen wie Schwarztee oder Mate, ist jedoch nicht bitter und mit Zucker echt lecker. Von der Indigenen Bevölkerung wird und wurde der Tee für alle möglichen Rituale genutzt und z.B. vor der Jagd getrunken, weil die Pflanze wach und konzentriert macht. Im Pakashka Sacha ist der Tee beliebt, um sich beim (späten) Lernen besser konzentrieren oder die ganze Nacht durchfeiern zu können…

Guayusa 🙂
Bin jetzt auch in die Produktion eingestiegen 😉 Trockne einige Guayusa Blätter in Puca Urku

Ein weiterer Aspekt meines Lebens hier, den ich einfach nur liebe, ist die Musik. Noch nie in meinem Leben habe ich so viel (verschiedene) Musik gehört. Egal ob jemand in der Küche Salsa anmacht, alte ecuadorianische Balladen, Spanischer Rap, Pop, Indie, meine und Maras deutsche Musik, die auch wieder alle Stimmungen und Genre umfasst, englische Lieder usw…. Mein ganzer Alltag ist von Klängen auf verschiedensten Sprachen erfüllt und ich entdecke viele neue Lieder. Was ich total genieße, ist, dass ich wirklich allen möglichen Deutsch-Rap beim Putzen laufen lassen kann, den ich will – und niemand kann sich beschweren, dass die Texte zu politisch, queerfeministisch etc. sind, da sowieso niemand versteht, worüber gesungen wird. Es tut mir total gut, neben Spanischer vor allem Deutsche Musik zu hören – Spanisch ist jeden Tag in meinen Ohren, da ist es angenehm, auch mal wieder was so richtig zu verstehen zu können. Ich entdecke jedoch auch spanische Musik und lokale Künstler*innen für mich.

ein entspannterer Song von einer ecuadorianischen Gruppe, den wir oft hören
ein älterer spanischer gesellschaftskritischer Rocksong, den ich irgendwie sehr mag… hat mir einer der Studenten empfohlen, was besonders ist, da die Mehrheit der Leute, denen ich bis jetzt begegnet bin, sehr wenig politisches Interesse gezeigt hat
deutsches Lied, dass ich für mich entdeckt habe

Last, but not least, ist auch das Essen immer wieder ein Highlight. Ich vermisse ein paar Sachen aus Deutschland (Brot, passierte Tomaten, guten Käse und alle möglichen Milchprodukte (saure Sahne, Quark, …)), aber insgesamt ist das Essen hier echt lecker. Meine neuen Lieblingssnacks sind Chips aus Kochbananen und geröstete Erdnüsse. Die Chips habe ich auch schon ein paar mal selber gemacht 🙂

Mangos waren bis jetzt enttäuschend (irgendwie habe ich immer nur überreife abbekommen), aber ansonsten ist das Obst hier echt gut. Ich liebe die immer perfekt reife Ananas, die vielen Maracujas und vor allem das Fruchtfleisch der Kakaopflanze. Ein paar mal habe ich mir schon eine ganze Avocado nur für mich gegönnt und Guacamole pur gelöffelt… Aber auch die Studierenden können zum Großteil echt gut kochen und ich freue mich immer wieder wenn die Essensglocke läutet 😉

Wie geröstete Mandeln, nur mit Erdnüssen
Kochbananenchips

(Realitätscheck, Sprung ins warme Wasser, …)

Die Veränderung kam
So abrupt
Dass ich sie kaum merkte

Von heute auf morgen
Neuer Alltag
Neue Sprache
Neuer Name
Neue Persönlichkeit
-und doch fühlt sich alles normal an

Mein altes Ich erkennt mich nicht mehr
Aber ich fühle mich authentischer als je zuvor

Einmal das Leben wechseln,
Der Sprung ins kalte Wasser
Um zu merken, dass es angenehm warm ist
(Fast tropisch)

All die Bibliotheken in meinem Kopf
Auf einmal nutzlos
Fange bei den Basics an:
Machete schleifen
Huhn ausnehmen
Zitronengras pflücken und Tee draus machen
Bussystem verstehen
Smalltalk führen
(Simply living)

Du kannst nicht overthinken,
Wenn du die andere Person eh nicht checken wirst
Du kannst nicht zu schüchtern sein,
Weil wenn du nicht fragst, bekommst du nie, was du brauchst
Du kannst nicht peinlich berührt sein,
Denn bei der Anzahl der Fettnäpfchen, in die du trittst, verlierst du den Überblick
Du könntest dich zurückziehen,
Aber dann wärst du allein
So richtig
Allein

Habe vergessen,
Wie man integriert
Zwölf Jahre Schule zerbröckeln zu Staub
All meine Pläne und Listen verpuffen
Lebe nur von Tag zu Tag,
Woche für Woche
frei -
Und doch gebunden
Neuer Alltag, neue Regeln
Routinen schleifen sich ein
Und langsam realisiere ich:
Es gibt auch ein Morgen
Das ist kein Traum
Der bald verfliegt
Das hier ist echt
Und diese fremde Person,
Die ich hier bin,
Das bin ich

Challenges

Eine große, aber bestandene Challenge war vor ca. 2 Wochen. Samstags bin ich so gegen 7:30 Uhr mit der Nachricht meiner Mentorin aufgewacht, dass eine Freiwillige aus einem andern Projekt, die gerade in Tena Urlaub macht, heute Morgen mit Übelkeit und Kreislaufproblemen aufgestanden ist und niemand gerade in der Stadt ist, der ihr helfen kann. Deshalb war die Frage an mich, ob ich sie vom Hostel abhole und zum Arzt begleite… Hab ich dann auch gemacht (hat mich insgesamt den ganzen Vormittag gekostet, was ohne richtiges Frühstück schon ein bisschen hart war) und dabei das Krankenhaus kennengelernt, zu dem ich auch gehen muss, falls mal was ist. Die Kommunikation mit unserem kleinem Niveau an spanischen Gesundheitsvokabular war etwas schwierig, aber irgendwie haben wir es geschafft… Unter anderem hat die Ärztin auch Blut- und Urinproben gemacht, um ausschließen zu können, dass es sich um Dengue handelt (war es zum Glück nicht). Der Armen ging es richtig schlecht und ich hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen, als ich sie mittags dann wieder allein im Hostel lassen musste…

Im Wartezimmer…

Was mich wirklich herausfordert sind die ständigen Stromausfälle seit zwei Wochen. Grund dafür ist die Wasserknappheit in Ecuador, da somit weniger Strom mit Wasserkraft gewonnen werden kann (mehr dazu erfahrt ihr hier). Dadurch fühle ich mich manchmal ein bisschen abgeschnitten und kann, wenn ich gerade Freizeit habe, nicht mit Freund*innen oder nach Hause kommunizieren, genauso wenig wie alles andere machen, wofür man Internet braucht (Nachrichten schauen, Blog schreiben, Duolingo und Babbel üben, Spanische Wörter schnell nachschlagen, Warmwasser im Haus anstellen …). In Puca Urku ist der Empfang von mobilen Daten besser, dafür ist es abends mit nur Kerzenschein allein im Haus recht abenteuerlich. Zwischenzeitlich hatte ich sogar kein Leitungswasser und musste immer erst mit dem Eimer in der Nähe vom Haus welches holen gehen. Langsam gewöhne ich mich daran, aber leicht ist mir das nicht gefallen. Vor allem, weil die ersten drei Wochen alles so gut funktioniert hat, dass ich mich an diesen Luxus gewöhnt habe. Im Pakashka Sacha kann ich sogar über eine Haus-App das Warmwasser anstellen (finde ich immer noch krass) und das WLAN ist normalerweise (wenn Strom da ist, haha…) auch sehr gut.

Mit dem Klima und den Insekten komme ich besser klar, als erwartet. Trotzdem nerven die vielen Mücken- und Sandfliegenstiche (Insektenspray mehrmals am Tag hilft nur bedingt) und an manchen Tagen ist es schon irre heiß. Nachts kühlt es in der Regel ziemlich stark ab, sodass ich morgens sogar manchmal meine Strickjacke brauche. Gefährliche Tiere sind mir bisher noch nicht begegnet, aber ich konnte schon ein paar interessante Insekten und Frösche finden (einmal sogar eine Fledermaus). Ein Problem war das bisher aber nie. Nur einmal ist beim Kochen aus dem Nichts ein Frosch gegen den heißen Topf gesprungen und durch die Hitze gestorben. Der Arme…

Es ist kein riesiges Problem, aber dennoch immer wieder eine Challenge: Spanisch. In den letzten Wochen habe ich unfassbar viel dazu gelernt und vor allem meine Scheu, einfach los zu reden, komplett abgelegt. Dennoch war es in den ersten Tagen auch etwas isolierend, wenn ich z.B. nicht verstehen konnte, was gerade am Tisch geredet wird. Es kostet viel Energie, immer und immer wieder nachzufragen, die Wörter zu wiederholen und vor allem nicht aufzugeben, wenn man schon wieder diese eine Vokabel vergessen hat (Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich die Vokabeln „Schatten“, „Geschmack“, „riechen“ und „nass“ die letzten Wochen gelernt und wieder verloren habe…). Langsam wird es jedoch besser und ich fange sogar an, lokale Wörter und Redewendungen zu verstehen und teilweise zu übernehmen. In der Schule habe ich das spanische Spanisch gelernt, hier brauche ich das lateinamerikanische Spanisch, in dem es viele andere Worte für die gleiche Sache gibt. Dazu kommen Ausdrücke, die nur in Ecuador oder sogar nur in dieser Region existieren und der Slang, den einige der Studierenden benutzen und der viele Synonyme für „Kumpel“ sowie einige Flüche beinhaltet… 😉

Gerade am Anfang war es für mich durch die Sprachbarriere zudem schwierig, tiefe Gespräche zu führen. Deep Talk ist mir sehr wichtig, da er irgendwie zu meinem mentalen Wohlbefinden beiträgt. Ich blühe selten so auf, wie wenn ich in eine angeregte Diskussion vertieft bin und nicht bemerke, wie die Zeit vergeht. Mittlerweile konnte ich in einem der Studierenden und in Mara gute Gesprächspartner*innen finden und natürlich kann ich auch immer mit Freundinnen telefonieren. Es haben sich schon einige gute Gespräche ergeben, was mich sehr glücklich macht. Dennoch muss ich manchmal nach diesen Gelegenheiten sehr aktiv suchen. Der Eindruck, dass die Mehrheit der Menschen hier nicht sehr politisch interessiert ist und eher selten über Gott und die Welt philosophiert, hält sich leider bis jetzt. Dennoch gibt es natürlich Ausnahmen. Und manchmal muss man einfach ein bisschen länger bei einer Person nachbohren oder Themen einfach wie selbstverständlich ansprechen, um doch noch interessante Perspektiven zu hören…

(Versetzt, Deep Talk, geghosted, …)

Komplett lost
Warte und warte
Chat Verlauf neu laden
-keine Nachricht-
Meine Erwartungen zerbröckeln
Genauso wie mein Stolz
Ein kleines Häufchen
Ist was bleibt

Brauche dich
Brauche ihn
Brauche sie
Brauche euch
Denn ohne Deep Talk fühle ich mich leer
Gespräche und Diskussionen:
Meine Luft zum Atmen,
Denn immer nur performen
Ist anstrengend

Habe gedacht,
Du wirst antworten,
Habe gedacht,
Er wird dazukommen,
Habe gedacht,
Sie wird zurückrufen,
Habe gehofft
Ihr lasst mich nicht allein
Mit meinen Gedanken
Aber jetzt werde ich sie wohl niederschreiben

Jede angeregte Unterhaltung
Ein Geschenk
Vermisse es
Vermisse euch
Einfach los reden
(Keine Sprachbarrieren)
Entspannen
Treiben lassen
Bis in die Nacht
Gedanken tauschen
Ankommen
weg sein
lebendig fühlen
-ich-
Die Sonnenuntergänge hier sind immer wieder schön, man muss die Fotos nicht mal bearbeiten, damit sie so aussehen…

Die größte Überraschung

Tatsächlich hat die größte Überraschung für mich nichts mit der fremden Kultur, dem neuen Alltag oder der Natur hier zu tun, bzw. nur indirekt. Die größte Überraschung bin ich selbst. Ab dem ersten Tag hier kommen neue Facetten meines Charakters hervor, ich hätte nie gedacht, wie schnell und wie stark ich mich verändern würde (oder vllt hat all das schon ewig in mir geschummert?). Wenn ich versuche mich von Außen zu betrachten, bekomme ich fast den Eindruck, Hannah und Amanda (ich nenne mich hier mit meinem Zweitnamen, weil der leichter auszusprechen ist) sind zwei verschiedene Persönlichkeiten, obwohl ich mich immer noch wie ich selbst anfühle. Ich bin extrovertiert, rede mit fremden Menschen, probiere Dinge aus, von denen ich dachte, sie könnten mir nie gefallen, ich habe mein Schamgefühl abgelegt – egal ob es darum geht, auf einer fremden Sprache trotz Wortlücken und Grammatikfehlern einfach loszureden, zu fragen, wenn man Hilfe braucht/ was nicht versteht oder kein Thema als Tabu zu verstehen. Ich habe schon spanische Gespräche über Brillenoptik, die NS-Zeit, Weihnachtstraditionen, toxische Männlichkeit, Schlafprobleme, gendersensible Sprache, Religion, Verhütung und Abtreibung, Klimawandel, Korruption, Indigene Kultur(Verluste), Kräuterbeete und anderes geführt. Dafür braucht es viel Zeit, Geduld und einen online Übersetzer, aber irgendwie geht es, wenn man sich traut. Und ich traue mich.

Ich habe das Gefühl, alle Sorgen und Bedenken vor meiner Ausreise sind nicht mehr da. Ich fühle mich sicher hier (mein Tropenarzt sollte lieber nicht wissen, wie bedenkenlos ich hier Essen probiere und auch sonst viele der unmöglich umsetzbaren Tipps nicht mache…) und denke kaum an Morgen. Overthinking gibt es nicht, eigentlich lebe ich nur im Moment und ergreife jede Chance, die sich mir bietet, außer mein Bauchgefühl sagt nein. Und bis jetzt konnte ich dadurch echt schöne Momente aller Art genießen. Wenn ich Nähe brauche, suche ich sie mir, wenn mir jemand etwas anbietet, nehme ich es an, wenn ich Lust auf etwas habe, dann tue ich es einfach.

Ich glaube, ich habe unfassbar Glück mit meiner Einsatzstelle, die wirklich cool ist und sehr viel Abwechslung bietet. Ich profitiere total davon, dass ich immer abwechselnd eher mit Gleichaltrigen zusammen lebe oder halt alleine bin und Zeit für mich habe. Dadurch kann ich meine soziale Batterie gut aufladen und echt alles genießen, was so auf mich zukommt. Ich weiß wirklich nicht, was noch die nächsten Monate passieren wird, auf einmal scheint alles möglich zu sein.

jetzt & hier

Mein Leben
Nur noch im Moment
Tage verschwimmen - kein gestern, kein morgen
Ein paar Wochen ein Leben
Ein Leben ein Tag

Facetten verschwimmen
Werde zum Mond
Wandelbare Form
-alles fließt
Vergesse wer ich war
Und komme doch wieder zurück
Mit jedem Zyklus
Ein neues Ich
Lasse los und halte fest
Atem

Jetzt und hier
Der Morgen fern
Zeit umspült mich
Hoch und Tiefs…

Bis auf diesen Moment
Verschwimmt alles
Die Zukunft nicht da
Vergangenheit verblasst
Wer bin ich?
Ich schau mich an
Und weiß es nicht
(Nicht mehr)
-aber auf einmal ist es mir egal

Ausblick

Bis jetzt gefällt es mir echt gut in Ecuador und ich bin extrem froh, genau jetzt genau hier zu sein. Die im Vorbereitungsseminar „Vollkornbrotphase“ genannte Tiefzeit, in der wir Deutschland vermissen und es nicht so gut läuft, kam bei mir noch nicht. Auch Heimweh hatte ich bis jetzt erstaunlich wenig. Natürlich gibt es auch mal schlechte Tage und ich vermisse es z.B. Harfe spielen zu können, aber alles in allem bin ich hier sehr glücklich. Ich hoffe das bleibt so, aber irgendwann wird es wohl auch mal kippen und das ist okay. In diesen Momenten kann ich mich dann an all die schönen Erfahrungen erinnern, die ich bis jetzt schon sammeln durfte 🙂

Bis bald!

Hannah/ Amanda

Ein Gedanke zu „Reflexion (schon ein Monat hier…)“

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