Neben unserem Alltag im Pakaskha Sacha sind wir regelmäßig in der kleinen Communidad Puka Urku und helfen in der Grundschule mit. Dabei wechseln wir uns immer ab – gerade bin ich hier und vorletzte Woche habe ich auch schon im Dorf verbracht. Das Leben und die Aufgaben hier bringen noch einmal ganz andere Facetten in unseren Freiwilligendienst und ich bin echt begeistert, wie vielseitig unser Projekt insgesamt ist. Während sich das Pakashka Sacha für mich mittlerweile schon fast wie Zuhause anfühlt, fordert mich das Leben in Puka Urku mehr heraus. Bis jetzt habe ich hier sowohl echte Höhepunkte, aber auch schwierige Momente erlebt. Da wir nur innerhalb der Woche (Mo. – Fr.) und das auch nur abwechselnd da sind, habe ich hier insgesamt auch noch nicht so viel Zeit verbracht und bin immer noch in der Eingewöhnungsphase. Deswegen kann ich in diesen Beitrag auch erst mal nur einen groben Einblick geben, da ich die Menschen und meine Arbeit in der Grundschule natürlich erst oberflächlich kennenlernen konnte.

Anreise
Normalerweise nehmen wir einen ein bis zweistündigen Bus von Tena aus und kommen dann Montag früh an. Freitag Mittag geht es dann zurück. Die Challenge ist es, im richtigen Moment dem Busfahrer zu signalisieren, dass man aussteigen will, da er sonst am Dorf einfach vorbeifährt. Theoretisch kann man aber auch ab Misahualli mit einem motorbetriebenen Kanu fahren. Dadurch spart man sich einiges an Zeit. Diese Woche sind die Lehrerin und ich so zurück gekommen…

Das Freiwilligenhaus
Während der Arbeitswoche, die wir hier sind, leben wir in einem eigenen Haus, dass einfach von ehemaligen Freiwilligen gemeinsam mit den Menschen aus dem Dorf gebaut wurde. Die Lage ist echt absolut traumhaft mit Blick auf den Fluss. Jeden Abend/ Spätnachmittag um ca. 6:15 kann ich vom Balkon aus den Sonnenuntergang über dem Wasser beobachten. Ich habe ein kleines Bad, eine Küchenzelle mit mobilem Gasherd und ein Raum mit Bett und einem Schrank.

Sonntags, bevor ich am Montag mit dem Bus hier her fahre, decke ich mich mit Lebensmitteln für die Woche ein. Außerdem muss ich Bettlaken, Handtücher, Lappen und so was mitnehmen. An sich ist es super entspannt, nur für sich zu kochen, die erhöhte Schwierigkeit ist nur, dass es keinen Kühlschrank gibt und das Klima hier noch mal deutlich schwüler und heißer ist als in Tena (Puka Urku liegt tiefer…). Bis jetzt bewährt haben sich Reis, Nudeln und dazu frisches Gemüse. Tierische Produkte wie Milch habe ich nie mit, die würden wahrscheinlich verderben.
Unter dem Haus (es steht auf Stelzen) kann ich eine Hängematte befestigen und runter zum Fluss ist es nicht weit. Besonders begeistert bin ich von den Pflanzen auf dem Grundstück. Morgens mache ich mir oft Tee aus Zitronengras und direkt um das Haus herum wächst Kakao. Selbst traue ich mich nicht, die Früchte zu ernten (sie gehören den Eltern des Chefs in Pakashka Sacha), aber ich habe schon ein paar Mal mit dem Nachbarskind zusammen Kakaobohnen gelutscht (das Fruchtfleisch ist wirklich mega lecker). Mit dem gleichen Jungen habe ich am Ende der ersten Woche auch ein Feuer gemacht und darauf meine Reste in Bratäpfel und Ofenkartoffeln verwandelt.
Die Grundschule

Am ersten Schultag sind Mara, unser Chef und ich zusammen hingefahren und haben die Schuleröffnung mitgemacht. Danach sind die beiden wieder zurück nach Tena und ich war die restliche Woche allein da. Unterricht haben wir noch nicht gehalten, da die Lehrerin noch Lehrpläne und Inhalte durchgehen und vorbereiten musste. Stattdessen haben wir in der Woche eigentlich nur gespielt. Ich hatte Stickgarn mit, aus dem wir Armbänder knüpfen und flechten konnten, was bei den Kindern echt gut ankam. Ansonsten haben wir alle möglichen Spiele gespielt – von Klassikern wie Fangen bis hin zu Schwungtuch oder ein Kreisspiel namens „agua de limon“. Interessant war auch das Spiel „El presidente“, bei dem der President der Communidad immer irgendetwas benötigt (z.B. einen Bleistift, eine Yuca-Wurzel, eine Orange, ein weißes T-Shirt, …) und die Kinder es in verschiedenen Gruppen so schnell wie möglich herholen müssen. Oft waren es Pflanzenteile, die ich weder kannte, noch gewusst hätte, wo sie zu finden sind…
Insgesamt sind so etwa neun bis dreizehn Kinder in der Schule, in der ersten Woche war das Erscheinen der Schüler*innen nicht sehr zuverlässig, ich weiß nicht, ob sich das noch ändert. Die Lehrerin hat immer ganz ordentlich zu tun, da die Wissensstände recht verschieden sind und die Kleinsten (eine ist nur drei Jahre alt…) beim Spielen beaufsichtigt werden müssen, während die Älteren (die Älteste ist zwölf Jahre alt, danach ist eine ziemlich große Lücke bis zu 6-7 Jahre) natürlich richtigen Unterricht benötigen. Ziel der Schule ist es, die Kinder in drei Sprachen zu unterrichten: Spanisch, Kichwa und Englisch. Der Englischunterricht ist unsere Aufgabe, während die Lehrerin neben den üblichen Fächern auch Kichwa Wörter mit den Schüler*innen übt (z.B. die Zahlen oder das Wetter).
Der Unterricht findet eigentlich nur in einem Klassenraum statt. An sich gibt es viel mehr Räume und Gebäude, aber die meisten werden kaum genutzt. In dem Lehrerzimmer gibt es einen Drucker, den wir für Arbeitsblätter nutzen können. Die Schule liegt wirklich direkt am Fluss und in der ersten Woche haben die Kinder super viel gebadet. Es gibt eine Schaukel, die über das Wasser schwingt und von der aus man hineinspringen kann und an einem Tag sind wir ein Stück weiter an einen Strand gelaufen und haben dort kleine Häuser aus Naturmaterialien gebaut. Fußball und Basketball habe ich auch schon mit den Kindern gespielt, die aus einem mir unerfindlichen Grund ständig rennen wollen (auch wenn die Sonne bei über 30° knallt)… Auf dem Grundstück steht außerdem ein Orangenbaum, an dem sich fleißig bedient wird (ich wusste davor nicht, dass Orangen ab einer bestimmten Größe auch grün gegessen werden können) und einige Kochbananenpflanzen. Ehrlich gesagt ist es schwer zu sagen, wo hier ein Grundstück anfängt und das nächste beginnt, da es kaum Zäune gibt. Deshalb ist es auch total normal, wenn auf dem Schulhof Hühner rumlaufen oder mal ein Hund vorbeischaut.
In der Frühstückspause gibt es jeden Tag einen kleinen abgepackten Snack und eine Schulmilch/ Saft für jede*n. Das ganze wird vom Staat bezahlt und ist in ganz Ecuador so. Diese Woche haben wir zudem plátanos (Kochbananen) geerntet, da ich welche zu Chips verarbeiten wollte. Mir war nicht bewusst, dass die Lehrerin gleich die ganze Dolde runterholen würde. Deshalb haben wir am nächsten Tag einfach in der Schule bei einer Feuerstelle gekocht. Die zermatschten Kochbananen mit Ei schmecken besser, als sie aussehen 😉
Letzten Dienstag haben die Eltern der Kinder eine Minga (Gemeinschaftlicher Arbeitseinsatz) gemacht und das Schulgelände gesäubert. Danach gab es noch eine Art Elternabend, bei dem ich die Tagesordnung vorlesen sollte, aber sonst nicht viel verstanden habe, da ca. 80% des Gesprochenen auf Kichwa war. Irgendwie hat mich das Ganze dennoch stark an Deutschland erinnert, vor allem, als es um die Frage ging, wer sich bereit erklären würde, Elternsprecher*in zu sein… Später wurde ich einfach zur Sekretärin des Elternrates gewählt, wobei mir versichert wurde, dass ich nur ab und zu Sachen vorlesen oder mal was notieren muss. Insgesamt war es echt schön, die Eltern der Kinder auch mal zu sehen, auch wenn ich nicht wirklich viel verstehen konnte.
Meine Freizeit
Die Schule endet in der Regel mittags und danach habe ich Zeit für mich. Oft koche ich erst einmal Mittagessen und mache das Haus ein bisschen sauber. Ansonsten chille ich in der Hängematte, schreibe meine Blogartikel (auch der letzte ist hier entstanden), bereite den Englischunterricht vor oder spiele mit den Kindern. Es ist immer ein bisschen unvorhersehbar, ob jemand und wer kommt. In der ersten Woche waren mich öfter Schulkinder besuchen, die mein Haus sehen und mit mir spielen wollten. Der eine Nachbarsjunge, der gleichzeitig der Neffe des Chefs im Pakashka Sacha ist, kommt öfter vorbei. Wir waren schon viel schwimmen (er hat mir eine Stelle am Fluss gezeigt, wo ein Nebenfluss mündet und das Wasser wärmer ist), haben Boote gebaut und schwimmen lassen, gekocht, Kakao geerntet und gegessen und Papierflieger gebastelt. Manchmal helfe ich ihn auch mit seinen Hausaufgaben, er geht in eine Grundschule in der nächsten Stadt. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut er klettern kann, er turnt auf dem Dach des Hauses rum oder klettert die Kakaobäume hoch als wäre nichts dabei.
Abends koche ich manchmal oder esse Reste des Mittags, lese ab und zu (bis her irgendwie fast gar nicht), schaue manchmal Film und gehe ansonsten recht zeitig schlafen. Da es schon so früh dunkel wird ist das gar nicht so schwer. Ich wüsste auch nicht, was ich allein noch viel länger machen sollte. 05:50 Uhr klingelt dann wieder der Wecker und ich mache mich für die Schule fertig.
Challenges
Wie schon am Anfang erwähnt, fordert mich das Leben hier mehr heraus als im Pakashka Sacha. Die ersten zwei Nächte allein im Haus waren schon echt gruselig, vor allem, weil ich neben den normalen Dschungelgeräuschen auch immer wieder ein Knarzen auf dem Dach gehört habe. Mittlerweile weiß ich, dass das wahrscheinlich Mäuse und andere Tiere sind und höre zum Einschlafen einfach ein bisschen Musik.
Nach meiner ersten Nacht musste ich feststellen, dass unter dem Türspalt eine sehr kleine Maus durchgekommen ist und mein Gemüse angeknabbert hat. Seit dem teste ich verschiedene Sachen aus, um das zu verhindern. Bis her hat sich am besten bewährt, eine Decke unter den Spalt zu stopfen und das Gemüse hochzustellen und am besten in einen geschlossenen Topf zu tun.
Eine große Schwierigkeit für mich ist die Kommunikation. Im Pakashka Sacha verstehe ich so ca. 30-80% des gesprochenen Spanisch, hängt auch immer vom Thema ab und ob die Person langsam redet. Notfalls kann ich mir dort aber immer mit Englisch oder Übersetzungstools weiterhelfen und immer wieder nehmen sich die Studierenden die Zeit und führen trotz der vielen Nachfragen und Unterbrechungen lange Gespräche mit uns. In Puka Urku fühle ich mich so, als würde ich erst seit einer Woche Spanisch lernen. Ich verstehe fast gar nichts von dem, was mir gesagt wird. Das hat mehrere Gründe: Es beginnt bei einem leichten lokalen Dialekt und der Tatsache, dass in Ecuador für viele spanische Worte Synonyme existieren, die ich jedoch nicht kenne. Außerdem reden die Kinder ziemlich schnell, mega leise und nuscheln dazu. Die meiste Zeit stehe ich hilflos da und sage „No lo se.“ oder „Lo siento, no entendido.“. Aber nicht nur ich verstehe wenig, wenn ich mit meinem Schulspanisch ankomme, werde ich oft auch nur verwirrt angeschaut…
Worauf ich nicht eingestellt war, ist, wie klein die Kinder teilweise noch sind. Insgesamt macht es mir Spaß, mit ihnen zu arbeiten, sie sind sehr süß und lustig, aber manchmal ist es auch anstrengend, wenn alle gleichzeitig meine Aufmerksamkeit wollen. Zudem sind sie extrem touchy, wollen ständig meine Hand halten, umarmen mich, küssen mich und fassen mich an. Tabus gibt es da nicht so wirklich und daran muss ich mich auch erst gewöhnen. Ich weiß noch nicht, wie ich Grenzen am besten kommuniziere, da einerseits mein Spanisch nicht so gut ist und andererseits ich die Kinder auch nicht verletzen will. Zum Glück habe ich aber das Gefühl, dass das nach der ersten Woche ein bisschen abgenommen hat. Vielleicht ist es auch die Aufregung und Neugier gewesen, mich als fremde Person kennenzulernen.
Highlights
Ich genieße es sehr, auch mal ein paar Abende für mich und ein bisschen me-time zu haben. Das Haus und die Lage sind wunderschön und jeden Abend beobachte ich den Sonnenuntergang. Es ist unglaublich, was hier alles für leckere Pflanzen wachsen und Kakaofruchtfleisch ist ein neuer Lieblingssnack von mir. Morgens starte ich oft mit einer Tasse frischen Zitronentees in den Tag. Außerdem macht es auch sehr Spass, für mich zu kochen und etwas Leckeres zu zaubern.
Ich genieße es auch sehr, nachmittags lange schwimmen zu gehen und Zeit mit dem Nachbarskind zu verbringen. Das Baden macht echt Spaß, ist aber auch ein bisschen gefährlich, weil die Strömung wirklich sehr stark ist. Die Menschen hier sind teilweise noch ein bisschen distanziert, aber sehr nett. Die Familie des Chefs hat mir schon mehrmals Früchte von ihrem Feld geschenkt – Kochbananen, normale Bananen und eine riesige Papaya. Teilweise wusste ich gar nicht, wie ich das alleine alles aufbrauchen soll und hab es in der Schule geteilt. Eines der Schulmädchen hat mich schon nach ein paar Tagen zu sich nach Hause zum Saft trinken eingeladen. Wir haben Orangen gepflückt, ausgequetscht und mit Wasser und Zucker vermischt getrunken. An einem anderen Tag haben mir die Kinder einen riesigen Blumenstrauß gepflückt, den ich mit nach Hause genommen habe.
Generell lebe ich in Puka Urku sehr von Moment zu Moment, offen für alles und ohne viel Ablenkung. Das ist ein ziemliches Gegenteil zu den stressigen Alltag, wie ich ihn aus Deutschland noch kenne. Auch in der Schule ist alles sehr entspannt – der Unterricht entsteht relativ spontan und mit den Schüler*innen gemeinsam. Wenn es dann irgendwann zu heiß ist, ist es auch kein Problem, die Kinder kurz in den Fluss springen zu lassen oder wenn ich als Freiwillige plátanos will, dann machen wir aus den Restlichen halt am nächsten Tag ein Essen. Wenn man sich auf diese Spontanität einlässt, ist sie echt super entspannend. Sehr viele Sachen, die zuhause zu voll dem großen Ding gemacht worden wären, werden hier ganz pragmatisch und gechillt gesehen. Wenn wir irgendwas mit den Schüler*innen machen wollen, dann tun wir es einfach, ohne dass es viel Aufwand dafür bräuchte, eine gute Zeit zu haben. In diesem Fall bewundere ich auch die Lehrerin, die jeden Morgen um fünf den Bus aus Tena hier her nimmt und echt keinen leichten Job hat. Trotzdem ist sie super nett und hat ihren Spaß mit den Kindern. Davon kann ich viel lernen.
Ausblick
Ich freue mich sehr, wenn ich wieder nach Puka Urku fahre, ein bisschen Zeit für mich habe und viel von den Kindern und ihren Familien lernen kann. Dennoch bin ich auch ganz dankbar für die etwas „entspanntere“ Zeit im Pakashka Sacha mit den Studierenden, wo ich eher was mit Gleichaltrigen machen kann und der Kulturschock nicht so groß ist. Ich glaube die Abwechslung ist ganz gut so. Nächste Woche bin ich erst einmal wieder im Studentenhaus und werde neben dem Putzen/Kochen Englischnachhilfe geben und am Mittwoch die Englischschule in Tena besuchen. Außerdem muss ich noch einige Stunden auf dem Grundstück abarbeiten, um mein Pensum bis Monatsende zu schaffen.
Bis bald 🙂
Hannah Amanda