Ausreise und erste Woche

Über den Ozean (Flug)

Am 25.08.2024 ging es um 01:30 Uhr nachts los. Meine Familie hat mich noch zum Flughafen in Frankfurt gebracht, wo ich dann auf ein paar weitere Freiwillige gestoßen bin, die auch nach Ecuador gehen. 7 Uhr saß ich dann komplett müde in meinem Flieger nach Amsterdam. Beim Aussteigen sind wir komplett random über Vincent Weiß gestolpert und einige der anderen haben sich als Fans entpuppt. Nach einer Stunde Aufenthalt ging dann der 12 Stunden Flug nach Quito los. Während der Zeit habe ich viel Musik gehört (danke an alle, die meine Flugplaylist erweitert haben :)), etwas gelesen, das Kreuzworträtsel gelöst, dass ich zum Abschied von Familie Turek bekommen habe, “Bohemian Rapsody” geschaut und gedöst. Das vegetarische Essen war erstaunlich gut und ich habe zum Glück einen Platz am Fenster reserviert, weshalb ich die atemberaubende Sicht auf die Wolken genießen konnte.

Ankunft in Ecuador und auf dem Weg nach Tena

In Quito wurden wir von unserer Mentorin abgeholt, haben unser Gepäck in einen Kleinbus verfrachtet und sind noch einmal vier Stunden nach Tena gefahren. Ich war extrem müde, aber auch total begeistert von der Landschaft, die sich von Hochgebirge immer mehr in Richtung Regenwald verändert hat. Immer wieder sind wir an wunderschönen Wasserfällen und Flüssen vorbeigekommen und haben aufgeregt aus dem Fenster gezeigt. Mir war bis dahin gar nicht so bewusst, dass auch im Regenwaldgebiet überall Hügel und Berge sind, irgendwie hatte ich es mir immer flach vorgestellt. Mara und ich waren die einzigen Freiwilligen, die noch in der selben Nacht zu ihrer Einsatzstelle gebracht wurden. Die anderen haben noch ein oder zwei Nächte in einem Hostel in Tena geschlafen, bis unsere Mentorin uns alle absetzen konnte. Spät abends sind wir dann komplett übermüdet im Pakashka Sacha angekommen und wurden von den Studierenden und den zwei Hunden begrüßt. Nach einer kurzen Namens Runde ging es dann auch sofort ins Bett.

Fahrt nach Tena/ Hostel der anderen/ Abendessen (Pan de Yuca)/ Ausblick aus meinem Fenster am Morgen

Wasserfälle am Straßenrand

Erster Tag

Im Pakashka Sacha wird immer um ca. 7 Uhr gefrühstückt, jede*r ist mal dran mit Vorbereiten. Am ersten morgen hat uns einer der Studenten gleich nach dem Essen mit nach Tena genommen. Gemeinsam waren wir erst im Supermarkt und dann auf dem Markt Essen einkaufen. Außerdem haben wir uns ecuadorianische SIM Karten besorgt und gleich im Laden aktivieren lassen. Ich kann es immer noch kaum glauben, dass eine Fahrt mit den Bus nur 30 Cent kostet. Man gibt das Geld einfach direkt beim Einsteigen dem Fahrer. An das Bussystem hier muss ich mich noch ein bisschen gewöhnen, es ist sehr anders als ich es aus Deutschland kenne. Wenn wir nach Tena wollen, setzen wir uns vor dem Grundstück auf eine Bank und warten maximal eine Viertel Stunde am Straßenrand, bis der nächste Bus vorbeikommt. Da hier keine offizielle Haltestelle ist, winken wir ihn an uns heran und klettern schnell rein, bevor es weitergeht. In der Stadt gibt es Haltestellen, an denen der Bus immer hält, aber die haben keinen Namen. Deswegen muss man ziemlich genau wissen, wo man wann raus will und auch welchen Bus in welche Richtung man zurück nehmen muss. Auf dem Heimweg müssen wir im richtigen Moment aufstehen und laut “gracias” rufen, damit der Busfahrer anhält und uns rausschmeißt. Bisher musste ich das noch nie alleine finden, aber ich habe schon ein bisschen Respekt davor, falsch auszusteigen… So überfordernd das Ganze im ersten Moment auch ist, hat es doch seine Logik und Vorteile. Ich musste während der ersten Woche schon mehrmals nach einen Bus rennen, um ihn zu bekommen, und der Fahrer hat immer angehalten und gewartet. Aus Deutschland kenne ich das anders… Außerdem kann man echt überall auf der Strecke rausgelassen werden und muss nicht ewig zur nächsten Haltestelle laufen, was echt bequem ist.

Nachdem wir die Einkäufe nach oben geschleppt und Mittag gegessen haben, wurden wir durch das ganze Haus geführt und in alles eingewiesen. Mit meinem Spanisch komme ich so halbwegs zurecht, ich verstehe aber bei weitem nicht alles. Einige der Infos werde ich auf jeden Fall falsch machen, weil ich sie noch nicht verstanden habe, aber so ist es halt. Mara und ich haben jeweils ein eigenes Zimmer, wobei meines offiziell das Gästezimmer ist. Wenn also Besuch kommt, muss ich für die Zeit zu ihr ziehen. Das Haus ist echt mega schön, überall gibt es Schiebeladen aus Bambus vor den Fenstern und der Blick geht direkt auf den Wald. Auf dem Innenhof ist sogar eine kleine Hütte mit Feuerstelle und zwei Hängematten, die wir schon viel benutzt haben.

In der ersten Woche haben wir noch keine eigenen Aufgaben bekommen, sondern wurden verschiedenen Studierenden zugewiesen, damit wir ihnen beim Putzen und kochen helfen. Die Gemeinschaftseinsätze (Mingas) und der Englischunterricht beginnen erst in der Woche danach. Trotzdem war das mit Putzen am ersten Tag ein kleiner Schock für mich. Noch nie in meinem Leben habe ich beim Routine Putzen dermaßen gründlich sauber gemacht – und das passiert hier drei mal die Woche (wobei am Mittwoch nur grob (= wie ich es normalerweise mache) sauber gemacht wird…). Ich habe unter anderm die Küche mit gemacht, was bedeutet alle Wände mit einem Besen von eventuellen Spinnweben befreien, alle (!) Schränke und Kisten komplett ausräumen, auswischen und wieder einräumen, auf den Schränken abwischen, alles Bewegliche (auch Herd und Kühlschrank) verrücken und darunter fegen, alle Oberflächen mehrmals abwischen und danach überall den Boden wischen.

Am ersten Tag kam mir das ein bisschen übertrieben vor, aber mittlerweile sehe ich den Sinn dahinter. Dadurch, dass das Haus komplett offen ist, kommt auch allerhand Dreck und Insekten herein. Ohne dem häufigen und gründlichem Putzen wäre es hier wahrscheinlich ziemlich schnell unhygienisch und Tiere würden sich einnisten. Von daher lieber ein bisschen zu viel als zu wenig sauber machen…

Abends haben wir dann noch unsere Verträge fertig gemacht und Spiele gespielt. Besonders beliebt im Pakashka Sacha ist Rommee Cup und Domino (wobei zweiteres viel komplizierter ist, als ich es dachte…). Die Studenten sind echt super nett und unterhalten sich trotz unserem mäßigem Spanisch gern und oft mit uns. Wir verstehen nicht alles, aber immer mehr, und immer wieder gibt es echt witzige Verwechslungen und Wortfehler. Meine Sorge, mich erst einmal komplett fremd und allein zu fühlen, war total unberechtigt. Auch wenn der anstrengende Teil der Arbeit erst nächste Woche anfängt, fühlt sich jetzt schon alles vertraut und fast ein bisschen wie Zuhause an. Am Ende des ersten Tages war ich extrem müde, bin einfach nur ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen.

Hier wohne ich 🙂

Das Pakashka Sacha
mein Zimmer 🙂

Highlights der ersten Woche

1. Highlight Nummer eins ist und bleibt die Natur hier. Alle Pflanzen, die ich als Zimmerpflanze kenne, wachsen hier einfach in riesig. Im Garten gibt es Kochbananen (plátanos), Zitronengras, Ananas Pflanzen, so eine Art Palme mit mindestens 3 m langen Blättern und jede Menge andere Sachen, die ich nicht kenne. In der Ferne habe ich schon Papageien fliegen sehen, Tucane gehört und allerhand interessante Insekten entdeckt. Einer der älteren Studenten hat Tourismus studiert und kennt sich mit den Pflanzen vor Ort richtig gut aus. Er hat uns schon viel gezeigt – z.B. eine Fruchtschale, die aussieht wie ein Seeigel und mit der man das Haar bürsten kann, ein Baum mit Luftwurzeln, der sich mit diesen ganz langsam in eine Richtung „läuft“, in dem er immer wieder neue wachsen und die alten absterben lässt (macht so ca. 20 cm Bewegung im Jahr), ein Blatt, dass auf der Haut einen Abdruck wie ei temporäres Tattoo hinterlässt oder ein Stamm mit ganz vielen Stacheln, mit dem man theoretisch Kartoffeln oder anderes Gemüse reiben kann. Eine kleine Mutprobe war es, mini Ameisen zu probieren, die beim Zerbeißen angeblich zitronig schmecken sollen, für mich aber einfach nur salzig waren. Mein neues Lieblingsgetränk am Morgen ist Tee aus frisch gepflücktem Zitronengras aus dem Garten.

2. Der selbe Student hat uns durch das Waldgebiet auf dem Grundstück geführt. Es gibt einen “Wanderweg”, wobei es sich an vielen Stellen eher um einen sehr steilen und sehr rutschigen Trampelpfad handelt, der an Abhängen hoch und runter führt. Auf dem einen Berg hat man eine wunderschöne Aussicht über den Wald und sieht in der Ferne sogar Tena. An einem anderen Tag sind wir noch tiefer in den Regenwald rein zu einer Art Grotte mit mini Wasserfall, in der wir einfach baden konnten. Das Wasser war eiskalt, aber mega erfrischend. Der Ort ist wirklich ein kleines Paradies und sehr schwer zu erreichen. An einem anderen Tag sind wir zu einem kleinen Fluss in der Nähe gegangen, der als Badestelle bekannt ist. Es hat echt Spass gemacht, gemeinsam mit den Studierenden Schwimmen zu gehen.

Aussichtspunkt auf dem Grundstück

3. Das Essen und Trinken hier ist einfach mega lecker. Es gibt viel frisches Obst, aus dem wir auch selber Saft machen (es heißt hier zwar “jugo” = Saft, ist aber eher Limo ohne Sprudel. Die pürierte Frucht wird mit viel Wasser verdünnt und mit Zucker zugesetzt…). Oft gibt es Reis mit Gemüse, Saucen, Fleisch (das ich allerdings weglasse) und fast immer Ei. Immer wieder werden Sachen aus meiner Sicht richtig random kombiniert, sind aber extrem lecker. Die Kombi aus mehreren sättigenden Beilagen (z.B. Reis und Kartoffeln, etwa selbstgemachte Pommes) sind hier so normal wie das Spiegelei zu jedem Essen. Einmal haben wir eine extrem leckere Suppe gegessen und einfach frisches Popcorn wie Croutons darüber gestreut. Einer meiner neuen Lieblingssnacks sind Chips aus Kochbananen (wirklich mega lecker) und Eis mit Käse drauf schmeckt wieder erwarten auch richtig gut.

Downlights der ersten Woche:

1. Jeden Morgen früh aufstehen, auch wenn wir am Abend davor noch ewig gespielt und gequatscht haben… Dazu die Hitze tagsüber (am Morgen ist es dafür echt kalt) und ich bin den ganzen Tag müde.

2. Das Brot hier ist so eine Art süßes Toast und gar nicht mal so gut, aber nichts kommt an den normalen Standart Käse ran, der ist wirklich einfach seltsam vom Geschmack. Nur auf dem Eis war irgendwie anderer, viel milderer, muss mal schauen, ob ich solchen irgendwo auch so aufgetrieben bekomme.

3. Das Putzen ist schon ein bisschen nervig und vor allem echt anstrengend wenn man es tagsüber in der Wärme macht.

Die (bisher) nützlichsten Sachen, die ich eingepackt habe:

  • Bauchtasche
  • Naturschnur (als Wäscheleine, um Fotos aufzuhängen oder ein Mobile zu basteln :))
  • Plastiklatschen
  • Stickgarn zum Armbänder knüpfen – super Beschäftigung und Eisbrecher (auch wenn das Erklären, wie es geht, mit meinem Spanisch immer auf Schwierigkeiten stößt…)
  • altes Ersatz Handy (für unterwegs)

Die (bisher) unnötigsten Sachen, die ich eingepackt habe:

  • ein bisschen Makeup
  • Regenjacke
  • Regenschirm
  • e-Book- Reader (bin leider noch nicht wirklich zum Lesen gekommen)
  • Sandalen (liegt aber an den Schuhen selbst, die sind kompletter Schrott und nach einmal hier Tragen kaputt gegangen)

Die (bisher) größte gemeisterte Challenge:

Am Samstag sind Mara und ich allein nach Tena gefahren, ohne zu wissen, wo wir aussteigen müssen. Irgendwie haben wir uns dann durchgeschlagen, bis wir den Laden gefunden hatten, in dem man Spiegel reparieren konnte. Mit neuer Scheibe im Rahmen sind wir dann weitergezogen, haben irgendwie in einer Apotheke unser SIM Guthaben aufgeladen, Besorgungen gemacht, einen wunderschönen Laden entdeckt (in dem ich sogar Holzperlen für mein Mobile kaufen konnte – da war ich echt restlos glücklich, hätte nicht gedacht, dass ich sowas finde), in einem der „Ropa Americana“-Läden gestöbert (so eine Art Second Hand Laden mit Kleidung aus den US, gibt es echt überall), Bananenchips und Eis mit Käse gegessen, Geld abgehoben und nach einmal wieder aus einem Bus steigen, weil er doch der Falsche war, irgendwie zurück gefunden. Das alles auf Spanisch und ohne Haltestellenbezeichnungen, da war ich schon stolz auf uns.

In Tena unterwegs
der bisher mit Abstand schönste Laden in Tena 🙂
Meine Einkäufe… 😉
Oft genutzte/ neue Wörter:

Lappen - trapo
Geld abheben - retirar dinero
Topf - olla
Knoblauch - ajo
Haferflocken - harina de avena
Ameise - horminga
Witz - broma
finden - encuantrar
oben - arriba
segeln - velar
Kochbanane - plátanao

Ausblick

Meine erste Woche war echt voller neuer Eindrücke und sehr schön. Ich habe viel gelernt, mich irgendwie mit Spanisch durchgeschlagen und eine echt schöne Zeit gehabt. Es ist krass, wie wohl ich mich hier schon fühle und wie gut wir uns mit den Studierenden bisher verstehen. Am Sonntag sind wir mit unserem Chef nach Purca Urku gefahren, wo ich die folgende Woche für fünf Tage leben und in der Grundschule mitmachen werde. Über die Erfahrung berichte ich ein anderes Mal.

¡Hasta luego!

Die letzten Wochen und Tage

Die letzten Wochen und Tage verfliegen immer schneller und sind gut gefüllt. Neben einigen Besorgungen, die noch anstehen, musste ich mich bereits von einigen lieben Menschen verabschieden. Mir war nicht bewusst, wie schwer es mir fallen würde, Freund*innen und Familienmitglieder das letzte Mal zu umarmen und zu wissen, dass wir uns ein Jahr lang nicht sehen werden. Außerdem kommt neben der Vorfreude auch immer mehr Panik auf – Warum wollte ich noch mal ein Jahr lang weg? Was, wenn ich mich in Ecuador unwohl und einsam fühlen werde? Mir wird richtig bewusst, wen und was ich zuhause alles habe und wertschätze: Freund*innen, Familie, bekannte Spazierrouten, mildes Klima, Jahreszeiten (vor allem der Herbst), Vollkornbrot, schöne alte Innenstädte mit süßen Cafés, viele Museen und kulturelle Angebote, Zug fahren, Poetry Slams besuchen, mein Schreibtisch mit meiner ganzen Journal-Ausrüstung, die Stadtbibliothek usw. Die Liste ist endlos. Auf der anderen Seite freue ich mich auch auf neue Erfahrungen, endlich Spanisch richtig lernen, Ecuador kennenlernen, neue Bekanntschaften knüpfen und über mich hinauswachsen…

Die “Abschiedsfeier” von Martha und mir + Papas Geburtstag

Da Martha schon Anfang August nach Chile aufgebrochen ist, haben wir das Gartenfest, das grob das Label Abschieds- und Geburtstagsfeier trug, schon viele Wochen vor meiner Ausreise gehalten. Trotz Regen hatten wir eine echt schöne Zeit.


Alles Mögliche

Hier ist noch eine kleiner Einblick in allem, was sonst noch so los war: Fotos, selbstgeschriebene Gedichte und Videos aus den letzten Wochen, vom Visum abholen in Hamburg bis zum Abschied enger Freund*innen.

Letzte Impfung!

Journal für mein Auslandsjahr – Das Buch habe ich selbst gebunden und gestaltet. Hier sammle ich alles Mögliche zum Thema: Packliste, Gedanken, To-Do’s, Infos vom Vorbereitungsseminar, …

Abschied 

Über allem diese Wolke
Ich wusste nicht was ich habe
Bis ich es verliere
Jeder Tag ohne dich
Einer zu viel

Heimweh bevor ich weg bin
-in der Schwebe-
Noch nicht fort aber auch nicht mehr da
Ich klammere mich an dich
Mein Verstand sagt es,
Aber ich habe es noch nicht realisiert
Unmöglich
Es sich vorzustellen
Wegzugehen
Ohne dich

Flyer verteilen

Im ecuadorianischen Konsulat – Warten auf das Visum

Das Konsulat in Hamburg von außen

Einer der Spanischen Songs, über den ich die letzten Wochen gestolpert bin und der mir gut gefällt…

(Panik)

Die Uhr tickt
Aus Monaten wurden Wochen wurden Tage
Langsam schwappt die Panik hoch
Einfach Ignorieren - the way to go
Und dennoch…
Jeder dritte Satz
Und ich werde dran erinnert

Ihr wünscht mir Spaß, eine geile Zeit
„So mutig“, „Ich könnte das ja nicht“
Gänsehaut
In meinem Inneren:
Fingernägel kratzen über eine Tafel
Wo ist die Notbremse??
Ich will hier raus
Nicht Mut war das, nein:
Trotz und ein bockiges inneres Kind
Dass sich selbst beweisen wollte,
Dass es das kann
(Turns out: I can’t)

Ich mag doch nicht mal Sommerhitze.
(Und eigentlich ist mein Leben hier auch ganz schön…)
Eine Woche vor Abreise habe ich mit Max einen Flohmarkt-Stand gemacht, um noch ein bisschen Zeug loszuwerden und Spenden zu sammeln

Das Vorbereitungsseminar

Das Vorbereitungsseminar diente nicht nur dazu, Fragen zum Freiwilligendienst zu beantworten und Infos zu erhalten, sondern hat mich vor allem mental meinem Auslandsjahr näher gebracht. Gefühlt werde ich in wenigen Tagen ausfliegen und allzu lange ist es tatsächlich nicht mehr hin.

Anfahrt und erster Tag

Nach einer langen Anfahrt in das sehr abgelegene Pfadfinderdorf hatte ich bereits am ersten Abend die Gelegenheit, mich mit anderen Freiwilligen auszutauschen. Es hat sehr gut getan, Leute kennenzulernen, die gerade in der genau gleichen Situation sind wie ich. Wir alle sind aufgeregt, haben Fragen über Ecuador und unseren Alltag dort, freuen uns schon und schlagen uns zur Zeit mit Dingen wie Visum, Impfungen und Packlisten herum. Vielleicht liegt es an dem Mindset, welches man braucht, um ein Jahr lang in einem fremden Land ehrenamtlich tätig zu sein, aber alle hier waren super sympathisch. Wir hatten die Möglichkeit zu zelten und ich war eine von vier Leuten, die diese Option genutzt hat. Am ersten Morgen bin ich dann von einem Gewitter aufgewacht und musste feststellen, dass das Zelt nicht mehr das dichteste ist. Zum Glück konnte ich das Problem später beheben, indem ich Müllbeutel zerschnitten und als dritte Plane genutzt habe. Die nächsten Schauer haben mich nicht mehr getroffen…

Anreise mit Bahn und Zug
Von Lichtenfels aus wurden wir von einem Shuttle abgeholt
Gleich am ersten Morgen schüttet es

Der erste richtige Seminartag war sehr voll. Neben einigen Kennenlernspielen war vor allem die Organisation ein riesiges Thema. Das Seminar beruht auf einem halboffenen Konzept und wurde von uns Teilnehmenden mit gestaltet. Wir haben Themen eingebracht, in offenen Teams die Tagesabläufe geplant und Dinge wie den Küchen- und Putzdienst sowie die Freizeitaktivitäten selbst organisiert. Das war einerseits cool, hat andererseits jedoch viel Zeit und Absprachen benötigt. Vor allem am ersten Tag war das Ganze recht erschlagend, wir hatten erst abends frei und sind mit Kopfschmerzen aus dem Seminar gegangen. Die nächsten Tage wurden dann besser.

Unsere Seminarkultur
Der Seminarraum – hier haben wir eine Woche lang zu den verschiedensten Themen gearbeitet

Meine Highlights

Einer meiner Lieblingstage war der zweite. Wir hatten den ganzen Vormittag Zeit, unsere eigenen Lebensflüsse zu gestalten. Ausgestattet mit Plakaten und Stiften sollten wir unsere eigene Biografie reflektieren und veranschaulichen. Am Nachmittag haben wir uns dann in vertraulichen Kleingruppen mit je einer/ einem der Teamenden unsere Lebensflüsse vorgetragen, Fragen gestellt und Feedback gegeben, was uns z.B. an der Person am meisten beeindruckt. Meine Gruppe saß bis zum Abendessen gemütlich draußen auf Decken. Es war mega interessant, von den anderen Teilnehmenden zu erfahren (Wann erzählen einem Gleichaltrige je ihr ganzes Leben mit all ihren Schwierigkeiten und dem, was sie geprägt hat? Die Situation war schon besonders…), aber auch sehr berührend. Mir ist mal wieder bewusst geworden, dass jede*r sein*ihr eigenes Päckchen zu tragen hat und die Lebensrealität von jedem Menschen verschieden ist. Es war schön, wie wir uns gegenseitig empowert und bestätigt haben, aber auch manchmal in den seichteren Smalltalk abgerutscht sind, um die schweren Themen besser verdauen zu können. Ich fand die Übung und den Austausch mit den Anderen auf jeden Fall super wertvoll und hätte gerne auch noch einmal mit anderen diese Auswertung gemacht.

Unser Lebensfluss – das Beispielplakat

Ein weiteres Highlight war am Abend des dritten Tages. Meine soziale Batterie war mittlerweile ziemlich leer und ich bin auf dem großen Gelände spazieren gegangen. Im Wald bin ich auf eine andere Freiwillige getroffen und gemeinsam haben wir die wunderschöne Natur und vor allem den atemberaubenden Sonnenuntergang genossen. Das gemeinsame Schweigen, aber auch das tiefe und lange Gespräch war in dem Moment genau das, was ich gebraucht habe, um Kraft und Energie für die nächsten Tage zu schöpfen.

Abendspaziergang
Sonnenuntergang

Was mir immer wieder Spaß gemacht hat waren die Pausen zwischendurch. Meist haben wir die Zeit genutzt, um auf der Tischtennisplatte neben dem Seminarraum Rundlauf zu spielen, was jedes mal super lustig war, egal, ob ich mitmachte oder daneben saß und gequatscht oder Armbänder geflochten habe. Zweimal haben wir abends Werwolf gespielt. Es war sehr cool draußen im Dunklen auf Bierbänken zu sitzen, im Hintergrund Gruselmusik mit Wolfsgeheul zu hören und zu rätseln, wer wohl der*die Täter*in war.

Generell habe ich die Freizeit sehr genossen. An einem Nachmittag sind wir zu einem See gefahren und auch vor Ort konnte man in der Natur super entspannen. Ich war überrascht, wie viele Tiere es gab. Ich hatte nicht nur eine Zecke und unzählige Mückenstiche, sondern konnte auch Hasen, Eichhörnchen, Siebenschläfer, Mäuse und Fledermäuse beobachten.

Armband flechten
Unser Seminarhaus
Zelten 🙂

Meine Erkenntnisse

Besonders hilfreich war der Austausch mit meiner Mentorin, die sogar extra aus Ecuador angereist ist und die uns Fragen zu dem Alltag in der Amazonasregion beantworten und aus ihren Erfahrungen berichten konnte. Zudem ist für die letzten Tage die Ehemalige aus dem Pakashka Sacha zu uns gestoßen. Sie ist eine super Liebe und hat all unsere Fragen zur Einsatzstelle und ihrer Zeit dort ausgehalten. Eine meiner großen Erkenntnisse betrifft meine Packliste: Einerseits werde ich Magen-Aufbau-Kuren mitnehmen, andererseits werde ich einiges an Kleidung zuhause lassen. Ich muss leider davon ausgehen, dass Textilien, die ich nicht regelmäßig trage, anfangen könnten zu schimmeln und das, was ich trage, durch meine Arbeit im Regenwald stark beschmutzt und abgetragen wird. Viele Freiwillige in ähnlichen Regionen und Einsatzgebieten haben ihre Kleidung nach dem Jahr entsorgt und gar nicht erst wieder zurück genommen. Meine Lieblingssachen sollte ich also lieber zuhause lassen, auch wenn es mir schwer fällt, da ich mich vor Ort ja auch wohl fühlen will.

Eine andere Erkenntnis kam während des zweitägigen Workshops zu kulturbewusster Kommunikation, welcher von einem externen Referenten geleitet wurde. Der Workshop hat uns auf Kulturschocks vorbereitet, Rassismus thematisiert und vor allem unsere eigene Sozialisierung und die Denkweisen unserer Kultur aufgedeckt und anderen gegenüber gestellt. Was mich sehr überrascht und irgendwie verunsichert hat, war das „Ich“ versus das „Wir“-System, welche unter anderem regeln, wie wir kommunizieren und Probleme ansprechen. Eher geprägt durch das „Ich“-System, ist es für mich normal, Konflikte offen anzusprechen, über Sachen zu diskutieren und sich für Fehler einfach entschuldigen zu können. In dem „Wir“-System jedoch steht das soziale Miteinander und die Wahrung seiner Ordnung viel mehr im Fokus. Auf Höflichkeit wird deutlich mehr Wert gelegt und Konflikte werden nie direkt, sondern über Ecken und/ oder durch die Blume zu der betroffenen Person getragen. Man kann sich nicht einfach selbst entschuldigen, aber man kann versuchen, Fehler wieder gutzumachen. Beide Einstellungen haben Vor- und Nachteile, aber der Wechsel des Kulturkreises von einer zur anderen kann immer wieder zu Missverständnissen führen. Das haben mir einige Beispiele, die wir analysiert haben, sehr deutlich gemacht. In einem „Wir“-System ist es eigentlich vorprogrammiert, dass ich anderen Menschen durch meine direkte Art auf die Füße trete, auch wenn ich es gar nicht böse meine. Die Erkenntnis, dass ich durch eine Entschuldigung oder das Suchen eines Gesprächs die Lage manchmal schlimmer machen kann, hat mich aus dem Konzept gebracht. Ich hoffe, ich kann einiges aus dem Workshop im Hinterkopf behalten und lerne, manche Fettnäpfchen zu vermeiden. Auf jeden Fall waren die beiden Tage sehr spannend und lehrreich.

Der letzte Abend und die Abreise

Am letzten Abend hatte ich Küchendienst und habe beim Kochen, aber vor allem bei dem sehr großen Abwasch geholfen. Danach haben wir eine Passion-Night veranstaltet, bei der einige ihre Leidenschaft vorgestellt haben. Es war echt lustig. Ich bin spontan auch aufgetreten und habe zwei Gedichte von mir vorgetragen. Es war schön, positives Feedback zu bekommen. Anschließend haben wir noch ein Lagerfeuer am Laufen gehabt und den Abend ausklingen lassen. Ich bin noch ewig sitzen geblieben, weil ich nicht wollte, das die Woche schon vorbei ist. Der Abschied am nächsten Tag war echt schwer, gemessen daran, dass wir uns erst seit sieben Tagen kannten. Wir hatten am Tag zuvor Briefumschläge aufgehangen mit unseren Namen drauf, sodass jede*r Zettel mit Komplimenten/ Wünschen für die anderen schreiben und einstecken konnte. Außerdem haben wir alle am Vormittag ein Armband von unseren wundervollen Teamenden erhalten. Beides, die Botschaften der anderen und das Band, sind wunderschöne Erinnerungen an diese sehr intensive Zeit. Ich freue mich schon total, einige der Freiwilligen während unserem Jahr in Ecuador zu besuchen und alle spätestens zum Zwischenseminar wieder zu sehen. Bis dahin wünsche ich uns allen eine gute Ausreise und einen spannenden Start in unseren Einsatzstellen. Bis bald!

Essensdienst – vegane Kötbullar
Lagerfeuer am letzten Abend
Sternklare Nacht
Hier will noch jemand nicht, dass ich das Zelt abbaue 🙂

Irgendwo zwischen Visumantrag, Kichwa-Rap und Duolingo-Challenges

Vorbereitungen

Es ist nun schon Juli und in einer Woche beginnt das Vorbereitungsseminar mit den anderen Freiwilligen, die vom IB nach Ecuador versendet werden. Ein bisschen konnten wir uns bereits bei online Workshops kennenlernen und bisher wirkten alle sehr sympathisch, aber die Nervosität bleibt, schließlich werden es die Leute sein, mit denen ich das nächste Jahr verbringe. Vor allem überwiegt aber die Vorfreude, ich glaube, wir werden eine tolle und auch sehr intensive Zeit haben. Bei bisherigen Meetings ging es bereits (neben Organisatorischem) um kultursensible Sprache, Kolonialgeschichte und ihr Erbe sowie um Rassismus, unsere Erwartungen bezüglich dem Freiwilligendienst und unsere Privilegien als weiße1 Person, die im globalen Norden aufgewachsen ist. Viele der Diskussionen und Gespräche waren sehr interessant und ich bin schon gespannt, welche weiterführenden Gedanken die andern Seminarteilnehmenden mitbringen werden.

Mit dem Vorbereitungsseminar rückt auch die Ausreise am 25.08.2024 immer näher. Der Gedanke daran fühlt sich immer noch surreal an, so wirklich vorstellen kann ich mir mein neues Leben in Ecuador noch nicht, ganz egal, wie viel ich recherchiere. Besonders der Fakt, dass ich noch kein Visum habe und es auch bei einigen anstehenden Impfungen schwierig wird, ins Impfmuster passende Termine zu finden, stresst mich sehr. Auf der anderen Seite habe ich schon viele der Vorbereitungen abhaken können: Die Beschaffung all der Dokumente, die für den Visum-Antrag benötigt werden, verschiedene Workshoptage, ein vorbereitendes Praktikum (meins habe ich in der Heinrich-Mann-Grundschule Leipzig geleistet und konnte einiges Spannendes lernen), der Erste-Hilfe-Kurs, die verpflichtende Voruntersuchung durch eine*n zertifizierte*n Tropenmediziner*in, das Starten einer Crowdfunding Kampagne2 und hiermit auch endlich das Erstellen meiner eigenen Website. In den nächsten Wochen kann ich hoffentlich auch das Visum und die Impfungen abhaken und dann geht es schon ans Packen, Verabschieden und Loslassen…

Vorfreude und Nostalgie

Ich habe das große Glück, meine Mitfreiwillige Mara bereits über WhatsApp kennenlernen zu können. Gemeinsam updaten wir uns über unsere Vorbereitungen, tauschen uns bei Fragen aus und freuen uns schon auf die gemeinsame Zeit. Wir sind super aufgeregt und versuchen uns das nächste Jahr gedanklich auszumalen, mit dem Wissen, dass wahrscheinlich sowieso alles anders kommt, als wir es uns vorstellen.

Dadurch, dass ich jetzt mit Schule durch bin, habe ich auf einmal viel mehr Zeit für mich. Meine Tage sind immer gut gefüllt mit ToDo‘s, anstehenden Terminen und auch schönen Dingen wie Freund*innen treffen oder kulturelle Veranstaltungen besuchen. Dennoch nehme ich mein Zuhause und meine vermeintliche „Normalität“ immer bewusster wahr. Der Gedanke, dass ich bald weg sein werde, schwebt immer in meinem Hinterkopf. Ich versuche die letzten Monate noch einmal so richtig zu genießen, aber nehme innerlich schon Abschied von den vertrauten Orten, den alltäglichen Routinen und auch den Menschen hier. Es ist ein bisschen wie Heimweh haben, bevor man überhaupt weg ist. Trotz dieser Nostalgie merke ich auch, wie ich immer öfter nach vorn blicke und es kaum erwarten kann, nach Ecuador zu fliegen und ein neues Lebenskapitel anzufangen. I‘m so excited!

Kleiner Vorgeschmack auf Land und Kultur

Immer, wenn ich mich mehr mit Ecuador beschäftige oder Spanisch übe, wächst meine Vorfreude auf das Land, die Leute, die Kultur und die Sprache dort. Ich versuche öfters Filme und Serien auf Spanisch zu schauen (allerdings noch mit Untertiteln) und übe fleißig mit Duolingo und Babbel (zwei Sprach-Apps). Durch ein paar Recherchen konnte ich ecuadorianische Musiker*innen ausfindig machen und habe einige Songs von ihnen sowie Podcastfolgen zum Spanisch lernen/ über Ecuador auf eine Playlist3 gepackt. Besonders beeindruckt hat mich die Gruppe Los Nin, die Rap mit den Klängen des Andenraums verbindet und sich teils auf Kichwa, teils auf Spanisch mit den starren Vorstellungen der indigenen Kultur und Identität auseinandersetzt und gleichzeitig Kritik an der Regierung ausübt, welche die indigene Bevölkerung Ecuadors weiterhin nur auf dem Papier unterstützt4. Zudem habe ich das einzige Buch einer Ecuadorianerin in der Stadtbibliothek gefunden und fand es sehr spannend. „Porso Wells“ von Gabriela Alemán liest sich ein bisschen wie ein Politik-Krimi und greift viele gesellschaftskritische Themen auf wie z.B. Umweltschutz, die soziale Kluft zwischen arm und reich in Ecuador, der Personenkult um kandidierende Präsidenten, Femizide oder Korruption. Ich bin schon gespannt, welche Musik und Bücher mir während meines Auslandjahres noch so begegnen werden und welchen Ruf eher kritische Stimmen aus Ecuador wie Los Nin oder Gabriela Alemán vor Ort haben bzw. ob sie den Leuten, denen ich begegne, überhaupt ein Begriff sind.

Innerlich schon zum Teil in Ecuador, zum anderen Teil voll im Hier und Jetzt, werde ich hoffentlich die nächsten Wochen einerseits genießen, andererseits produktiv nutzen können. Ich freue mich schon, vom Kennenlernenseminar berichten zu können. Bis dahin!

  1. „Weiß“ und „Weißsein“ bezeichnen ebenso wie „Schwarzsein“ keine biologische Eigenschaft und keine Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit Weißsein ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die sonst zumeist unausgesprochen und unbenannt bleibt. Weißsein umfasst ein unbewusstes Selbst- und Identitätskonzept, das Weiße Menschen in ihrer Selbstsicht und ihrem Verhalten prägt und sie an einen privilegierten Platz in der Gesellschaft verweist, was z.B. den Zugang zu Ressourcen betrifft.
    Quelle: https://www.amnesty.de/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprache ↩︎
  2. Die Kampagne läuft noch, ihr könnt mich sehr gerne unterstützen! Hier der Link: https://www.betterplace.me/weltwaerts-dienst-im-ecuadorianischen-regenwald ↩︎
  3. Falls ihr mal reinhören wollt: https://open.spotify.com/playlist/3ruQH1E55CfakBP20gZYeQ?si=g1I5q8ymQCqMXZnNUTeAaQ&pi=e-EtTvZg5ER0GJ ↩︎
  4. Es gibt auch einen interessanten Artikel über die Gruppe. Falls ihr euch auch reinlesen wollt, findet ihr hier den Link: https://www.npla.de/thema/kultur-medien/mit-kichwa-rap-gegen-ungleichheit-und-starre-vorstellungen-von-identitaet/ ↩︎